Die Grundversicherung (OKP) deckt in der Schweiz ein breites Leistungsspektrum ab. Sie gewährleistet den unterschiedslosen und niederschwelligen Zugang zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung, und zwar für alle. Finanzierer und Leistungserbringer dürfen in diesem Bereich nur kostendeckende Tarife verrechnen. Unsere OKP ist darum eine wichtige soziale Errungenschaft.
Zusatzversicherungen (VVG) decken hingegen zusätzliche Wünsche und höhere Ansprüche an Behandlung und Hotellerie ab. Neben das «need to have» tritt das «nice to have». Entsprechend hat die Zusatzversicherung keine soziale Komponente; ihre Prämien haben dem individuellen Wunschbedarf zu entsprechen, und die Prämien- und Preisbildung folgt im VVG -Bereich Angebot und Nachfrage. Gewinne im VVG-Bereich sind für alle Seiten legitim. Im Spitalbereich sind sie auch notwendig, da die Spitäler beispielsweise mit Anteilen aus den Erträgen der VVG Leistungen ihre EBITDA Marge aufbessern können. So kommen sie auf die rund 10 Prozent EBITDA Marge, welche notwendig sind, um die für Innovations- und Erneuerungsbedarf benötigten Finanzmittel zu generieren. Denn mit Vergütungen aus der OKP allein ist das nicht möglich: Infolge zu tief angesetzter Tarife können die Spitäler durchschnittlich gerade einmal rund 85% ihrer Kosten decken. Das Geschäft mit der Zusatzversicherung ermöglicht somit den Leistungserbringern die Querfinanzierung von Defiziten im OKP-Bereich.
Das Bundesgericht vertritt seit Jahren in seiner Rechtsprechung die Auffassung, dass wer sich in er der Privatabteilung eines Spitals behandeln lässt, eine Behandlung ausserhalb der OKP wählt. Der Versicherte wird demzufolge nicht in einer OKP-Behandlung mit Mehrleistungen behandelt, sondern in einem rechtlich eigenständigen Gefäss ausserhalb der OKP. Damit unterliegt die VVG-Behandlung nicht den KVG-Behandlungsregeln und insbesondere auch nicht dem KVG-Tarifschutz. Die Privatbehandlung kann darum eigenständig und ohne quantitativen Mehrwertnachweis abgerechnet werden.
Das KVG erteilt dem Bundesamt für Gesundheit die Verantwortung für die Grundversicherung. Demgegenüber ist die eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für die Zusatzversicherung zuständig. Nachdem einige Spitäler unsauber abgerechnet haben, hat sich die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) eingeschaltet; sie ist zuständig für die Überwachung der Krankenzusatzversicherungen. Sie stellte aufgrund ihrer Analysen fest, dass Rechnungen im Bereich der Krankenzusatzversicherung häufig intransparent, zu hoch oder sogar ungerechtfertigt seien. Die Finma hat den Druck auf die Zusatzversicherung massiv erhöht und erwartet nun von den Versicherern eine wirksamere Kontrolle. Zudem müssen die Krankenversicherer ihre Verträge mit den Spitälern überprüfen und wo nötig verbessern. Die Finma bewilligt sonst keine neuen Spitalzusatzversicherungsprodukte. Die Versicherer ihrerseits benutzen das, um zu Lasten der Leistungserbringer ihre eigenen Renditen zu verbessern.
Die Privatversicherungen sind Wunschbedarf, der für alle Seiten Vorteile bringt: Patient/In, Leistungserbringer und Versicherer. Versicherer und Spitäler müssen um den wichtigen Zusatzversicherungsmarkt zu erhalten, zusammen den Mehrwert von herausragenden medizinischen Leistungen richtig positionieren. Nur so lässt sich das Produkt Zusatzversicherung erhalten. Unhaltbar ist die Auffassung, dass die Versicherer in der (halb-) privaten Abteilung nur «echte» Mehrleistungen gegenüber der OKP zu finanzieren, und diese nur «kostenbasiert» abzugelten hätten. Das widerspricht der Bundesgerichtsauffassung, wie oben dargelegt: In diesem freiwilligen Bereich sind die Tarifpartner frei, vertraglich andere Abreden zu fixieren
Zusatzversicherungen sind wichtig für die Weiterentwicklung der Spitäler: Innovationskraft und Zukunftssicherung hängen an der Ertragskraft der Häuser. Wird die Zusatzversicherung als Produkt des Wunschbedarfs mit freier Preisbildung zwischen Prämienzahler, Versicherer und Spital ausgehebelt, schwächen wir die Spitäler, von denen die Mehrheit sowieso ums ökonomische Überleben kämpft. Die Zusatzversicherung muss ein Anreiz für die erfolgreichen Spitäler sein, die qualitative Entwicklung der Medizin zu beschleunigen. Ziel wären Qualitätsfortschritte aufgrund von messbaren Ergebnissen. Stattdessen gefährden unhaltbare Interventionen die wirtschaftliche Existenz der Spitäler und bringt das bestehende System aus dem Gleichgewicht.
Daniel Heller ist Partner bei Farner Consulting AG. 2000 übernahm er das Präsidium der Spezialklinik Barmelweid, wandelte diese als erstes Spital im Kanton Aargau in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft um und wurde 2014 Verwaltungsratspräsident der Kantonsspital Baden AG. Daneben hat er verschiedene Verwaltungsratspositionen im Finanzbereich und Startup Bereich. Er hat in Zürich Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Politikwissenschaften studiert (Promotion Dr. phil. I).