Das sagen Ökonomen zur Kostendiskussion in der Physiotherapie

Santésuisse will das Kostenwachstum in der Physiotherapie nicht einfach so hinnehmen. Für die Gesundheitsökonomen der ZHAW ist der Vergleich auf der Zeitachse nicht relevant. Massgebend sei vielmehr das Kosten-Nutzen-Verhältnis.

, 11. März 2022 um 23:00
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Angefangen hats mit einer Schlagzeile der Tamedia-Blätter: «Physiokosten explodieren». Was es damit auf sich hat, hat Mirjam Stauffer, Präsidentin von Physioswiss, hier erklärt.
Nach Publikation des fraglichen Artikels befasste sich auch die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit den stark angestiegenen Ausgaben für die ambulante Physiotherapie. «Sind diese tatsächlich ein Grund zur Panik hinsichtlich hoher und steigender Gesundheitsausgaben?» fragen Mitarbeiter im Team Gesundheitsökonomische Forschung in einem Blog.

«Wir sollten Kosten mit dem Nutzen der erbrachten Leistungen vergleichen und nicht mit den Kosten in den Vorjahren.»

Um die Antwort gleich selber zu gehen: «Nein, nicht unbedingt.» Bei Kostenvergleichen stelle sich die Frage nach dem richtigen Vergleich. «Wir sollten Kosten mit dem Nutzen der erbrachten Leistungen vergleichen und nicht mit den Kosten in den Vorjahren», schreiben Andreas Kohler und Michael Stucki im Blog der ZHAW. Ausserdem gelte es zu prüfen, ob es sich nicht um eine Verlagerung der Kosten aus anderen Bereichen des Gesundheitswesens handelt.
Aus gesundheitsökonomischer Sicht interessiere, ob die Ressourcen kostenwirksam verwendet würden. Ein Vergleich der Physiokosten von heute mit denen von 2007 sage nichts darüber aus, ob die zusätzlichen Ausgaben kostenwirksam seien. «Er sagt nur, dass wir heute einen grösseren Anteil unserer Ressourcen für Physiotherapie einsetzen.»
Laut Kohler und Stucki sagt ein Kostenvergleich über die Zeit nichts darüber aus, ob die Ressourcen im Gesundheitswesen ineffizient eingesetzt würden.
  • Erstens sollten die Kosten im Verhältnis zum Nutzen betrachtet werden.
  • Zweitens sollte das Kosten-Nutzen-Verhältnis der ambulanten Physiotherapie mit jenem alternativer Behandlungen verglichen werden. 
«In vielen Fällen dürfte die ambulante Physiotherapie in diesen Vergleichen ein höheres Kosten-Nutzen-Verhältnis haben.»
Schliesslich sinnieren die Autoren des Blog-Eintrags darüber, weshalb die Krankenversicherer Alarmstimmung verbreiten. Sie führen das darauf zurück, weil die Krankenversicherer im ambulanten Bereich 100 Prozent der Kosten tragen müssen. Dies im Gegensatz zum stationären Bereich, wo sie bekanntlich nur 45 Prozent der Kosten zu tragen haben. 

«Von einer Behandlung mit einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis profitieren nicht nur Erkrankte, sondern alle Prämien- und Steuerzahlende.»

«Wir sollten das ganze System im Auge behalten», sagen die Autoren und teilen damit die Meinung von Physioswiss-Präsidentin Mirjam Stauffer. Sie schreiben im Blog: «Von einer Behandlung mit einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis profitieren nicht nur Erkrankte, sondern alle Prämien- und Steuerzahlende.»
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