Die Männer hatten das Sagen, die Frauen machten wie ihnen vorgeschrieben: So lebten Herr und Frau Schweizer die Demokratie bis vor 50 Jahren - etwas überspitzt formuliert, versteht sich. Das hat sich zum Glück geändert. Aufatmen? Auf dem Papier ja, doch in der Praxis gibt es noch Verbesserungsbedarf. Die Lücke zwischen den männlichen Entscheidern und weiblichen Ausführenden ist gerade in der Gesundheitsbranche immer noch oftmals sehr gross. Zustände wie vor 50 Jahren in der Schweiz.
Gerade in Zeiten, in denen Fluktuation und Fachkräftemangel ein solch grosses Thema sind, ist es wichtig, Entscheidungen nicht nur durch die überwiegend männlichen Führungskräfte zu treffen, sondern auch das Feedback der überwiegend weiblichen Belegschaft mit einzubeziehen.
Studien haben bereits gezeigt, dass man sich gut tut, Frauen im Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Die Resultate sind eindeutig: In den weltweiten Spitälern und Pflegeheimen, wo dem bereits so ist, zeigte sich eine Qualitätssteigerung, gesündere Patienten und glücklichere Mitarbeiter.
Der Verband Woman in Global Health (WGH) hat letztes Jahr ein
Positionspapier herausgegeben, das die Frau im Gesundheitswesen in den Fokus stellt und spannende Ansätze aufzeigt, um dem weiblichen Personal mehr Wertschätzung entgegen zu bringen und diese schlussendlich langfristig zu beschäftigen und zu fördern. Die WGH befasst sich im Paper mit den Fragen, wie wir den Frauen langfristiges Wohlbefinden und Motivation an der Arbeit ermöglichen und bezieht sich dabei auf verschiedene Aspekte des Arbeitsumfeldes.
Mich, als Geschäftsführer eines Tech-Unternehmens, interessiert dabei natürlich vor allem der Bereich “Digitalisierung im Gesundheitswesen” und wie sich dieses auf die weibliche Belegschaft auswirkt, beziehungsweise, wie diese in Sachen Gleichberechtigung helfen kann. Frauen kommunizieren oftmals anders als Männer und machen ihr Glück im Job eher von Faktoren wie zum Beispiel Teilzeitarbeit, Arbeitskollegen, Wertschätzung, Kinderbetreuungsmöglichkeiten und anderen Soft-Faktoren abhängig, wo hingehen Männer oft Karrierechancen und Lohnerhöhung im Fokus haben, wie ein
Bericht in der NZZ zeigt. Dass die Jobangebote dementsprechend aufgebaut sind, liegt auf der Hand; schliesslich entscheiden mehrheitlich Männer, wie die Gesundheit-Jobs der Zukunft aussehen sollen. Während bei der Kinderbetreuung oder Lohngleichheit ebenfalls die Gesellschaft und die Politik mitreden, ist es bei der Einführung von Digitalisierungsprojekten meistens nur die Geschäftsleitung, die entscheidet. Mit der Einführung von digitalen Lösungsansätzen, könnte man also auf die Bedürfnisse von Frauen gezielt eingehen und gleichzeitig eine Plattform schaffen, die der überwiegend weiblichen Belegschaft die Einflussnahme auf Geschäftsentscheidungen ermöglicht. Konkret werden im Zusammenhang mit der Digitalisierung im Positionspapier der WGH folgende Dinge gefordert:
- Intuitiv bedienbare, optisch ansprechende Anwenderoberflächen und Produkte und damit geschlechtersensible Konzeption von digitalen Produkten/Lösungen.
- Entwicklungen von Anwendungen, die für die Abläufe in den Lebenswelten der Frauen und im Gesundheitswesen konzipiert sind und keinen zusätzlichen Zeitaufwand bedeuten
- Schulungskonzepte, die in Tagesabläufe integrierbar sind
Es gibt also bereits konkrete Ansätze, wie der Pflegeberuf wieder attraktiver werden könnte, ohne dass dabei die Budgets durch die Decke schiessen. Klatschen auf dem Balkon für die Helden in Weiss wird dabei nicht erwähnt. Dafür verschiedene Vorschläge, um den Pflegealltag angenehmer, sinnstiftender und gleichberechtigter zu gestalten.
Allgemein ist natürlich nach wie vor das Thema Lohn präsent - wie aus einem
Medinside-Beitrag vom November 2020 hervorgeht. Die meisten Spitäler und Pflegeheime kommen den Forderungen des Pflegepersonals aber nicht nach, da sie einen harten Sparkurs fahren müssen. Die Spitalleitungen und die Führungleute von Alterszentren und Pflegeheimen sollten also dort ansetzen, wo eine Verbesserung der Situation realistisch ist. Bei den in der Studie genannten Forderungen, wie man die mehrheitlich weibliche Belegschaft mehr wertschätzen könnte, fällt mir nur eine Möglichkeit ein: Digitalisierung. Digitale Lösungen (z.B. Kollaborations- und Kommunikations-Apps) verbessern nicht nur Workflows, sondern geben den Mitarbeitern an der Front eine Stimme - auch wenn man teilzeit arbeitet, eine andere Sprache spricht und eben nicht in der Geschäftsleitung sitzt. Mit den Möglichkeiten der Digitalisierung kann eine wirklich gleichberechtigte Zusammenarbeit in Gesundheitsunternehmen ermöglicht werden und die Entscheidungen werden nicht mehr nur von der überwiegend männlichen Führungsebene getroffen.