EU-Bürokratie: Auch in Schweizer Spitälern fehlen Medizinprodukte

Das zeigt eine Umfrage von Medinside.

, 22. Februar 2024 um 13:29
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Auch die Schweiz bekommt die Auswirkungen der neuen EU-Regulierung zu spüren. Bild: Joshua Earle on Unsplash
In Deutschland schlagen Spitäler derzeit Alarm – ihnen fehlen dringend benötigte medizinische Instrumente. Dies als direkte Folge einer verschärften EU-Regelung für Medizinprodukte.
Medinside wollte deshalb wissen, wie die Situation in Schweizer Spitälern aussieht.
«Die Regulierung in der Schweiz ist äquivalent mit der Regulierung in der EU. Es ist daher davon auszugehen, dass die Situation in der Schweiz ähnlich ist», sagt Lukas Jaggi von Swissmedic.
Allerdings habe die EU die Problematik der fehlenden staatlich autorisierten Zertifizierungsstellen erkannt und die Übergangsfristen für die Umsetzung der neuen Regulierung unter gewissen Voraussetzungen um mehrere Jahre verlängert. Die Schweiz hat diese Anpassungen ebenfalls vorgenommen. Für bestimmte Produkte, die vor der neuen Regulierung auf den Markt gebracht worden sind, gibt es deshalb Fristverlängerungen.

Umfrage

Eine Umfrage unter den grösseren Schweizer Spitälern zeichnet ein gemischtes Bild: Während etwa das Kantonsspital Aarau und das Kantonsspital Baselland keinen Mangel an Medizinischen Instrumenten vermelden, tönt es beim Kantonsspital St. Gallen anders: «Wie in vielen anderen Branchen gibt es auch bei Medizinprodukten (z. B. Operationsinstrumente) Lieferprobleme. Das spüren wir auch am KSSG».
Die Gründe für die Lieferprobleme seien laut Mediensprecher Philipp Lutz vielfältig: Die neue Regulierung MDR gehöre aber definitiv auch dazu.
Auch das Universitätsspital Basel stellt in allen Bereichen Lieferengpässe fest, sei es bei Medikamenten, bei Materialien und auch bei den Instrumenten. Laut Caroline Johnson vom USB seien zugleich gewisse Unsicherheiten bei den Lieferanten spürbar, wie die neuen Regulierungen anzuwenden sind, da die Auslegung komplex ist.
Negative Auswirkungen auf den Spitalbetrieb hätten die fehlenden Produkte bislang jedoch nicht. So könne die Versorgung derzeit durch Alternativprodukte sichergestellt werden. «Entscheidend dafür ist die Flexibilität der Chirurgen, auf alternative Instrumente ausweichen zu können sowie die aktive und vorausschauende Suche unserer Einkaufsspezialisten nach Ersatzlösungen», sagt Martina Pletscher, vom Universitätsspital Zürich.

Darum geht es:

Das neue EU-Gesetz verlangt, dass Hersteller ihre Medizinprodukte bis Mai 2024 neu zulassen, ansonsten erhalten sie nicht das notwendige CE-Zeichen, das belegt, dass die Waren EU-Standards entsprechen.
Die Konsequenz: Alle rund 500'000 Medizinprodukte in Deutschland müssen neu zertifiziert werden – vom Schwangerschaftstest, Klemme, Pinzette bis zum Beatmungsgerät und der Software. Und das auch, wenn sie schon jahrelang auf dem Markt sind.
Diese Neuzulassung ist aufwendig, langwierig und teuer – es geht um sechsstellige Summen. Daher entscheiden manche Anbieter, dass sich die Mühe für Nischenprodukte nicht lohnt. Die Waren verschwinden vom Markt, sobald ihre alte Zulassung ausgelaufen ist.
Ein weiteres Problem: Innovative Produkte werden nun nicht mehr in Europa zuerst zugelassen – sondern sie kommen hier erst mit Verspätung zu den Ärzten beziehungsweise Patienten.
Wie die ARD-«Tagesschau» meldet, haben die neuen bürokratischen Auflagen eine weitere Folge: Die Medizinalprodukte-Hersteller beklagen, dass ihre Innovationsfähigkeit unter den Vorgaben leidet.


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