Mehr Lohn, mehr Ferien, weniger Druck: Damit will die Schweiz die Zahl der Fachleute im Gesundheitswesen erhöhen. Doch das genüge nicht, warnen Experten. «Wir müssen uns auf eine Zeit des Mangels einstellen», sagt Simon Wieser, Leiter des Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie, gegenüber den «Tamedia»-Publikationen. Die Pflegefachpersonen würden im internationalen Vergleich bereits überdurchschnittlich gut bezahlt. Höhere Löhne böten also zu wenig Anreiz, schliesst Wieser daraus.
Weniger «Nice-to-have»-Eingriffe
Doch was bedeutet das, wenn uns eine «Pflegemangellage» erwartet? Simon Wieser erklärt, dass das Personal noch mehr nur dort eingesetzt werden müsse, wo es wirklich nötig sei.
Eine
Studie zu «Nachhaltigkeit und Resilienz im Schweizer Gesundheitssystem», die er mitverfasst hat, kommt zum Schluss: In Zeiten anhaltender Personalengpässe müsse der Zugang zu optionalen «Nice-to-have»-Leistungen eventuell eingeschränkt werden. Als solche optionalen Leistungen sieht Wieser unter anderem gewisse Knieoperationen.
Mehr grosse Spitäler
Auch bei der Grösse der Spitäler sieht Wieser grosses Sparpotenzial. Die Schweiz müsse mehr auf grössere Spitäler setzen, zum Beispiel mit der Festlegung von Mindestfallzahlen. Das steigere auch die Qualität der Behandlung. Der Gesundheitsökonom ist sich allerdings bewusst, dass es höchst unpopulär ist, kleine Spitäler zu schliessen.
Allerdings erhält er bei seiner Einschätzung Schützenhilfe von weiteren Experten. So hat auch Michael Simon, Professor am Institut für Pflegewissenschaft der Medizinischen Fakultät der Universität Basel, festgestellt: In grösseren Spitäler lässt sich das Personal effizienter einsetzen und Personalmangel besser ausgleichen - dies sogar mit lebenswichtigen Folgen.
Kleine Spitäler sind weniger flexibel
Denn der Leiter der Forschungsgruppe Patientensicherheit und Versorgungsqualität hat in einer
Studie mit Zahlen untermauert, dass eine hohe Bettenbelegung die Sterblichkeit in kleinen Spitälern besonders stark erhöht. In kleineren Spitälern beträgt die Sterberate nach einem 14-tägigen Spitalaufenthalt 2,3 Prozent, während der Durchschnitt bei allen Spitälern nur bei 1,5 Prozent liegt.
Und zwar stieg das Sterberisiko in den kleinen Spitälern schon bei einer geringen Auslastung. Die Erklärung des Experten für diesen Effekt: Ist die Bettenauslastung im Durchschnitt eher tief, fallen Schwankungen stärker ins Gewicht. Das wenige Personal in kleinen Spitälern könne bei einem plötzlichen Anstieg der Patientenzahlen zu wenig flexibel reagieren.
Auch Zusammenarbeit kann helfen
Eine Lösung sieht Simon in der Zusammenlegung von kleinen Spitälern mit grossen. Kleine Spitäler seien schwieriger effizient zu betreiben. Gibt es eine Zusammenlegung oder zumindest eine Zusammenarbeit zwischen kleinen und grossen Spitälern, gebe es weniger Schwankungen bei der Auslastung und würde dadurch aus das Sterberisiko sinken.