Warum Notfallprofis eine Gebühr für Bagatellfälle ablehnen

Soll für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme eine Gebühr verlangt werden? Erneut bringen sich Notfall- und Rettungsmediziner sowie Notfallpfleger in die Diskussion ein.

, 2. Februar 2023 um 07:26
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Bagetelle oder nicht? Diese Frage kann künftig 50 Franken kosten. | cm
Die Notfallstationen sind seit Jahren chronisch verstopft und die Lage spitzt sich aus verschiedenen Gründen immer mehr zu. Seit Jahren wird deshalb von verschiedenen Seiten die Einführung einer Gebühr für Bagatellfälle in der Spitalnotfallaufnahme gefordert. Diese müsste gleich vor Ort bezahlt werden und wäre weder an die Franchise noch an die Kostenbeteiligung anrechenbar.
Am Donnerstag und Freitag befasst sich nun die Gesundheitskommission des Nationalrats in Bern mit einer entsprechenden Parlamentarischen Initiative aus dem Jahr 2017. Die Schweizerische Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin (SGNOR) spricht sich im Vorfeld aber erneut klar gegen die Einführung einer solchen Gebühr aus.

Nicht als «Hypochonder» abstempeln

Diese Gebühr, vorgesehen sind beispielsweise 50 Franken, trifft die Falschen, wie die SGNOR schreibt. Zum Beispiel chronisch Kranke oder ärmere und ältere Menschen. Für die Notfall- und Rettungsmediziner müsste der «unklare» Begriff «Bagatellfälle» zudem genauer definiert werden, was kaum machbar sei.
Die Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin richtet ihren Blick auf die Patienten: «Statt die Patientinnen und Patienten in ihrem subjektiven Empfinden ernst zu nehmen, stempeln wir sie pauschal als Hypochonder ab», halten die Notfall- und Rettungsmediziner fest. Und, so die SGNOR weiter, sei die Gebühr in der Praxis kaum umsetzbar. «Notfälle seien keine Mautstationen.»

Was die Profis für zielführender halten

Das Thema «Bagatellfälle im Notfall» zeigt exemplarisch, wie die Vorstellungen zwischen dem Gesundheitspersonal an der Front und der Gesundheitspolitik voneiander abweichen können. Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass sich die Fachgesellschaft zum Thema äussert: Sie hat sich zusammen mit der Notfallpflege Schweiz bereits bei den ersten Diskussionen im Dezember 2019 bereits klar gegen die Einführung einer solchen Gebühr ausgesprochen.
Sie bringen aber auch Lösungsansätze: Für die Profis aus der Praxis wäre eine verbesserte Triage in den Notfallstationen zielführender. Und zwar durch interprofessionelles und gut geschultes Personal, Patientenleitung und Beratung durch moderne Technologien. Hinzu müsste es ausserdem mehr Unterstützung für Notfallmedizin, Notfallpflege und Grundversorger bei der Bewältigung der steigenden Anzahl von Notfallpatienten geben.

Ausnahmen möglich

Die fast schon totgeglaubte Initiative, die auf den ehemaligen Nationalrat Thomas Weibel zurückgeht und von seinem Parteikollegen Martin Bäumle von den Grünliberalen übernommen wurde, erwähnt auch Ausnahmen für das altbekannte Problem: Zum Beispiel Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sowie alle Patienten mit ärztlicher Zuweisung oder einer nachfolgenden stationären Behandlung.
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