Tessin: Volk gegen mehr Vorschriften im Gesundheitswesen

Mit 55 Prozent Nein-Stimmen hat die Tessiner Bevölkerung eine Initiative zur Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen und Standards im Gesundheitsbereich abgelehnt.

, 16. Juni 2025 um 08:19
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Die Tessiner Hauptstadt Bellinzona  |  Bild: Patrizia Berta / Unsplash
Die Tessiner Bevölkerung musste am Wochenende entscheiden, ob sie einen umfassenden Rahmen für das Gesundheits- und Sozialwesen möchte. Die Idee war, dass alle Gesundheits- und Sozialinstitutionen – etwa Spitäler, Rettungsdienste, Spitex-Organisationen oder Pflegeheime – ein einheitliches gesetzliches Umfeld erhalten sollen.
Doch am Ende resultierte ein deutliches Nein: 55,5 Prozent der Bevölkerung und fast alle Gemeinden lehnten die Initiative «Für eine qualitativ hochwertige soziale Gesundheitsversorgung und sozialpädagogische Dienste» ab.
Das Anliegen war von der Gewerkschaft VPOD lanciert worden. Sie verlangte erstens einheitliche Arbeitsverhältnisse, auch zwischen den Institutionen – etwa bei Ferien, Arbeitszeit und Inkonvenienzentschädigungen. Zudem sollten die Rechte der Patienten gesamthaft geregelt werden. Der Kanton sollte ferner eine unabhängige Qualitätsbewertung der Institutionen schaffen. Und weitere Paragraphen sahen eine Mediationsstelle sowie eine kantonale Planung der Sektoren vor.

Lieber Autonomie

Die Gewerkschaften erhofften sich davon eine Entlastung des Personals und bessere Arbeitsbedingungen, ohne dass die Betreuung darunter leiden würde.
Sowohl die Kantonsregierung als auch das Parlament sprachen sich indessen dagegen aus. Solch ein Gesetz würde sehr unterschiedliche Bereiche unter einen gemeinsamen Hut zwingen, so eine Befürchtung.
«Die Einführung der neuen Rechtsgrundlage hätte zu mehr Bürokratie, höheren Kosten und mehr Verwaltungsaufwand geführt», kommentiert der Staatsrat das Ergebnis der Volksabstimmung: «Dies hätte das bereits überlastete Personal zusätzlich belastet, ohne eine konkrete Verbesserung der Leistungsqualität zu gewährleisten.»
Offenbar lehne es die Bevölkerung ab, dass die Autonomie von Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens eingeschränkt werde.
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