Tardoc und ambulante Pauschalen unter Dach und Fach. Oder doch nicht?

Die Spitäler, Ärzte und Versicherer haben das neue Gesamt-Tarifsystem abgesegnet. Bei der FMH gibt es allerdings noch Widerstand.

, 22. Oktober 2024 um 18:13
image
Pierre Alain Schnegg, Regierungsrat Bern und Präsident OAAT  |  Bild: Kt. Bern / B. Kopp / S. Gollin.
Die Vertragsparteien haben sich beim neuen Tarifsystem für den ambulanten Bereich geeinigt. Konkret stimmte der Verwaltungsrat der nationalen Tariforganisation OAAT am Dienstag dem Gesamt-Tarifsystem aus Tardoc und den ambulanten Pauschalen zu.
Nun kann das Paket dem Bundesrat zur Genehmigung eingereicht werden – wobei es allerdings noch einen kleinen Haken gibt: Bei der FMH läuft ein verbandsinternes Referendum.
Die FMH-Spitze selber würdigte die Einigung jedoch bereits als «bedeutenden Schritt». Die Delegiertenversammlung hatte das Paket im September grundsätzlich abgesegnet; weitere gewünschte Detailanpassungen wurden am Montag in einer ausserordentlichen DV genehmigt.
Allerdings ergriffen danach sieben Fachgesell­schaften das Referendum. «Die FMH wird nun den entsprechenden internen demo­kratischen Prozess durchlaufen», erklärt der Dachverband dazu: «Die FMH hat 45'000 Mitglieder und über 70 Mitgliederorganisationen, die unterschiedlich von der ambulanten Tarifrevision betroffen sind. Entsprechend sind auch nicht alle Mitglieder(organisationen) gleich zufrieden mit dem von den Tarifpartnern verhandelten Ergebnis. Die FMH ist allen Mitgliedern verpflichtet und setzt sich im Sinne einer guten Patientenversorgung für eine sachgerechte Tarifierung ein.»

«Eine ausgezeichnete Nachricht»

Im Hintergrund steht, dass sich gut zwei Dutzend Fachgesellschaften im Spätsommer gegen die Ergebnisse gewandt hatten: Sie monierten eine mangelhafte Datengrundlage oder fehlende medizinische Homogenität.
Ungeschmälert positiv fiel derweil der Kommentar des Versichererverbands Santésuisse aus: «Unter dem Dach der gemeinsamen Tariforganisation OAAT ist es gelungen, einen einheitlichen Arzttarif zu entwickeln, der die Anforderungen an einen zeitgemässen Arzttarif akkurat abbildet». Und der Spitalverband Hplus begrüsst eine «Kompromisslösung, die einen wichtigen Meilenstein darstellt».
Das neue System soll nun definitiv im Januar 2026 in Kraft gesetzt werden. Unabhängig vom Referendum bei der FMH laufen die Arbeiten weiter: «Das Innendepartement kann nun mit den Prüfarbeiten beginnen», sagte OAAT-Präsident Pierre Alain Schnegg gegenüber dem «Blick»: «Gleichzeitig warten wir den Entscheid über das Referendum ab. Das Ziel ist noch immer, am 1. Januar 2026 zu starten. Ich kann nur allen Leistungserbringern, die künftig mit dem neuen Gesamt-Tarifsystem arbeiten werden, empfehlen, sich darauf vorzubereiten.»
Sollte eine Einigung der Tarifpartner doch nicht zustande kommen, kann der Bundesrat die ambulante Tarifstruktur selber festlegen. Die zuständige Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider setzte den Parteien zuletzt eine Frist: Sie verlangte eine gemeinsame Lösung bis November.
  • tardoc
  • Tarifsystem
  • Ambulant
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Kinderspitäler wehren sich gegen die drohende Tarifsenkung

Mit dem Tardoc müssten die bereits stark defizitären Kinderspitäler eine Einbusse von 8 Prozent hinnehmen.

image

Brustkrebs: Wer hat denn die Screening-Programme gekündigt?

Die Radiologengesellschaft SGR-SSR kontert die Kassenkritik – und fordert, dass die Mammographie-Programme ausgebaut statt abgebaut werden.

image

«Keine Verunsicherung der Frauen»: Kassen kritisieren Radiologen

Der neue Arzttarif weckt Sorgen: Radiologen und Krebsgesellschaften warnen vor einem Abbau bei Brustkrebs-Screenings. Nun nimmt Prio.Swiss entschlossen Stellung.

image

Ambulante Pauschalen: FMCH macht Druck

Die bisherigen Anpassungen der OAAT seien ungenügend, das Vorgehen intransparent. Der Dachverband FMCH droht mit einer Aufsichtsbeschwerde sowie mit juristischen Prozessen.

image

Tarife: Erste Nachbesserungen für Tardoc und ambulante Pauschalen eingereicht

Es geht um Notfallleistungen, Tumortherapie, Wundversorgung und die Pathologie. Die Anpassungen sollen bereits mit dem Start im Januar 2026 gelten.

image

Mammographie-Screenings: Auch die Radiologen schlagen Alarm

Mit dem Wechsel zum Tardoc und einer geplanten Tarifsenkung um 60 Prozent geraten die Brustkrebs-Früherkennungsprogramme unter Druck. SGR und SGS fordern ein sofortiges Umdenken in der Gesundheitspolitik.

Vom gleichen Autor

image

Knie- und Hüftimplantate: Immer weniger Folgeeingriffe nötig

Die 2-Jahres-Revisionsraten bei Hüft- und Knieprothesen sinken weiter leicht oder bleiben stabil. Die Daten deuten eine zunehmend einheitliche Versorgungsqualität in der Schweiz an.

image

Mehr Pflegepersonal = weniger Ärzte-Burnout

Eine grosse Erhebung in sieben Ländern zeigt: Dort, wo Pflege stark vertreten ist und Arbeitsumgebungen stimmen, bleiben Ärztinnen und Ärzte länger im Beruf.

image

Notfall: Warum die Bagatellgebühr verpufft – und was stattdessen nötig wäre

Kurz vor der Nationalratsdebatte warnen die Notfallmediziner vor den «Bagatellgebühr»-Ideen. Sie schlagen vier konkrete Alternativen vor.