Die Finanzierung der Mammographie-Screenings in den diversen Kantonen bringt die Bruchlinien im neuen Tarifsystem klar ans Licht: Wenn die Krankenversicherer in gewissen Bereichen kürzen und anpassen wie geplant, folgt dort zwangsläufig ein Abbau – und daraus wiederum entsteht ein Streit um Schuld, Ethik, Verantwortung.
Erst beklagten Krebsgesellschaften und Radiologen, dass das neue System die Brustkrebs-Vorsorge radikal
bedrohe: Wenn die Abgeltung um fast 60 Prozent sinke, könnten die Untersuchungen nur noch defizitär erbracht werden. An den Pranger gerieten die Krankenkassen, denn diese hatten zuvor die laufenden Verträge gekündigt oder als Auslaufmodell deklariert.
Am Donnerstag
meldete sich der Kassenverband Prio.Swiss und forderte die Radiologen auf, «ihre medizinische Verantwortung wahrzunehmen» und Hand zu bieten, ihre Verträge anzupassen (sprich: die Screening-Angebote zu tieferen Tarifen fortzusetzen).
«Schädliche Tarifsenkungen»
Nun widerspricht wiederum die Radiologengesellschaft SGR-SSR: «Kein einziger Leistungserbringer hat bisher die Teilnahme an den Programmen seinerseits gekündigt», heisst es in einer neuen Stellungnahme. Man habe frühzeitig davor gewarnt, die Mammographie-Screenings durch Tarifsenkungen zu gefährden. Sie selber, die Fachgesellschaft, habe die «schädlichen Tarifsenkungen» nicht mitverhandelt (in der Tat war es die FMH gewesen, die mit H+ und Prio.Swiss am Tisch sass).
Und es seien jetzt auch nicht die Radiologen, welche die Screenings-Programme abbrechen: «Jegliche Kündigung der – sehr gut – laufenden Screening-Programme gingen entweder von Krankenversicherern oder den Mammographie-Programmanbietern selbst aus. Diese kündigten die laufenden Verträge gegenüber den Leistungserbringern» (also beispielsweise den vertraglich eingebundenen Radiologie-Instituten).
Ausbauen, nicht demontieren
Das Statement der SGR-SSR deutet ferner an, dass die Fachgesellschaften im Tardoc-Verhandlungsprozess viel zu wenig berücksichtigt wurden – es ist ein Vorwurf, den bekanntlich
auch die FMCH zunehmend entschlossen vorbringt. Die Fachgesellschaften seien «sehr kurzfristig konsultiert» worden und hätten höchstens «Wünsche» anbringen können. Die SRG-SSR selber habe bis Ende April über 50 Änderungswünsche eingegeben: «Zu diesem Zeitpunkt lagen die Tarife aber bereits verhandelt und zur Genehmigung vor. Es konnten im Übrigen lediglich Änderungswünsche bezüglich der Tarifstruktur und nicht bezüglich der Tarifhöhe eingegeben werden.»
Die SGR-SSR appelliert nun an die Politik und die Versicherer, eine Kurskorrektur vorzunehmen, damit die Mammographie-Screening-Programme erhalten bleiben. Es sei «dringend notwendig, bestehende Screening-Programme auszubauen, anstatt sie zu demontieren. Die aktuellen Entwicklungen sind beispiellos und aus medizinischer und ethischer Sicht beunruhigend. Brustkrebs ist nach wie vor die häufigste onkologische Todesursache bei Frauen. Die Erhaltung und Stärkung von Screening-Programmen muss daher eine Priorität der Gesundheitspolitik und der Verantwortlichen der öffentlichen Gesundheit sein.»