Spitallisten: Druck auf Kantone nimmt zu

Wie der Ständerat macht auch der Nationalrat Druck, damit die Kantone die Spitalplanung und die Leistungsaufträge aufeinander abstimmen.

, 24. September 2025 um 16:18
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Motionär und GLP-Vertreter Patrick Hässig im Nationalrat, 24. Septembe 2025 | Screenshot: Parlament.ch
Wenn selbst die Standesvertreter der Meinung sind, die Kantone müssten nicht nur die Spitalplanung, sondern auch die Leistungsaufträge aufeinander abstimmen, so kann wohl auch der Nationalrat nichts dagegen einwenden.
Er stimmte am späten Mittwochnachmittag einer entsprechenden Motion zu – mit 104 zu 88 Stimmen allerdings erstaunlich knapp. Im Ständerat war die Zustimmung in der Frühjahrssession mit 41 zu 2 Stimmen viel deutlicher gewesen.
Der Vorstoss fordert, dass die Kantone innerhalb von Versorgungsregionen die Leistungsaufträge an die Spitäler abstimmen und gemeinsam erteilen: «Falls die Kantone ihren Aufgaben nicht nachkommen, soll der Bund analog zu den Bestimmungen der hochspezialisierten Medizin subsidiär intervenieren können», heisst es im Text, den die ständerätliche Gesundheitskommission einbrachte.

«Dieses Bashing regt mich auf»

Keine Freude an dieser Entwicklung hat der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin. Im Interview mit Medinside sagte er, es gebe in den Spitälern nicht mehr viel zu holen. Seit der neuen Spitalfinanzierung 2012 seien viele Häuser geschlossen worden – mehr als je zuvor. «Wegen des Wettbewerbs, nicht wegen der Politik.»
Zudem gebe es auf Bundesebene genügend gesundheitspolitische Herausforderungen und viele Kostentreiber, um die sich das Bundesparlament kümmern sollte. Stattdessen würden mit solchen Vorstössen eine Scheindebatte geführt, so Urs Martin. «Man zeigt auf Kantone und Spitäler. Dieses Bashing regt mich auf.»
Der grünliberale Nationalrat Patrick Hässig verteidigt den Vorstoss des Bundesparlaments: 30 Prozent der Gesundheitskosten entfielen auf Spitäler. «Die Schweiz hat eine der höchsten Spitaldichten». Man müsse dort ansetzen, wo die hohen Kosten anfallen, nicht – um ein Beispiel zu nennen – bei der Komplementärmedizin, deren Kosten kaum ins Gewicht fielen.

GDK sondiert

Auch keine Freude an der Einmischung der Bundespolitik dürfte die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) haben. Jedenfalls nimmt sie das Thema ernst und scheint ziemlich nervös zu sein.
Noch vor der Debatte vom Mittwochnachmittag verschickte sie den Mitgliedern der Sozial- und Gesundheitskommission eine Einladung zu einem Anlass am 16. Dezember 2025. Dort will sie den Gesundheitspolitikern die neue Stossrichtung in der Spitalplanung aufzeigen. Wie in der Einladung steht, arbeitet die GDK an Massnahmen, die eine stärkere Koordination der kantonalen Spitalplanungen zum Ziel haben.

Der Bund soll es richten

Die Motion «Spitalplanung durch interkantonale Spitallisten stärken» wurde im Januar 2025 von der Gesundheitskommission des Ständerats (SGK-S) eingereicht. Ihr ging es auch darum, einer anderen, noch schärferen Motion den Wind aus dem Segel zu nehmen.
Gemeint ist die Motion des Grünliberalen Patrick Hässig, eingereicht im Mai 2024. Gemäss dem diplomierten Pflegefachmann soll die Spitalplanung neu vom Bund in enger Zusammenarbeit und grösstmöglicher Einflussnahme der Kantone durchgeführt werden. Aber: Die letzte Entscheidungskompetenz soll beim Bund liegen. Die Motion ist noch hängig. Ob nun Hässig seine Motion zurückzieht, konnte er nach der Nationalratsdebatte noch nicht sagen.

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