Smarter Medicine im Hôpital de la Tour: So viel weniger wurde behandelt

Transfusionen, Harnkatheter, Verschreibungen von Benzodiazepinen: Das Genfer Privatspital zeigt, wie es mit weniger dieser Massnahmen besser geht.

, 21. August 2025 um 07:49
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Symbolbild: Aman Chaturvedi / Unsplash.
Das Hôpital de la Tour in Genf war das erste Privatspital in der Westschweiz, das sich Smarter Medicine - Choosing Wisely Switzerland anschloss. Nun zieht das Spital nach fünf Jahren Bilanz über die Umsetzung der nachhaltigeren Praxis.
Das Spital führte in seine Abteilungen für Innere Medizin so genannte Indikatoren ein. Ziel war es, die Verschreibungsraten für bestimmte Eingriffe mit geringem Mehrwert oder sogar mit potenziell schädlichen Folgen für die Patienten zu überwachen. So sollte sich mit der Zeit die medizinische Kultur im Spital ändern.
  • Eine Privatklinik will besser werden, indem sie weniger behandelt. Das sagte der damalige Klinikdirektor Rodolphe Eurin im Interview vor fünf Jahren.
Dass sich das Hôpital de la Tour dieser Vision angeschlossen hat, ist vor allem auf die Initiative von Omar Kherad, Chefarzt der Inneren Medizin, zurückzuführen. Er ist auch Mitglied von Smarter Medicine in der Schweiz.
Vor fünf Jahren erkärte er, dass die Indikatoren – ähnlich wie Verkehrskontrollen – einen «Radareffekt» hätten, indem sie die Ärzte dazu anregten, die richtigen Praktiken langfristig zu verankern.
Das in den USA entstandene Konzept der «Smarter Medicine» wurde 2017 auf Anregung der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften auch in der Schweiz aufgegriffen. Das Konzept betont die Notwendigkeit, überflüssige – manchmal invasive – Behandlungen zu vermeiden, um die Qualität der Behandlungen zu verbessern und letztlich Kosten zu senken. Beispiele dafür sind die Wiederholung von Untersuchungen bei der Verlegung eines Patienten von einem Spital in ein anderes, der übermässige Einsatz von Antibiotika oder die übermässige Anordnung von Röntgenaufnahmen mit hoher Strahlenbelastung.
Nach fünf Jahren zeigen die Zahlen des Spitals:
  • Bluttransfusionen gingen um 52 Prozent zurück;
  • die Verwendung von Harnkathetern wurde um die Hälfte reduziert;
  • die Verschreibungen von Benzodiazepinen gingen um 27 Prozent zurück;
  • der Antibiotikaverbrauch lag laut ANRESIS-Daten 2024 unter dem nationalen Durchschnitt;
  • die Verwendung von strahlenbelastenden Röntgenuntersuchungen und wiederholten Blutentnahmen ist kontinuierlich zurückgegangen;
  • die durchschnittliche Dauer der Behandlung mit Protonenpumpenhemmern (PPI) wurde verkürzt.
Inzwischen haben sich auch andere Westschweizer Spitäler dieser Bewegung angeschlossen, etwa das Universitätsspital Genf (HUG) und das Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV).

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