Schwangerschaft: Weniger Komplikationen, mehr Physiotherapie

Seit zehn Jahren entrichten Schwangere weder Franchise noch Selbstbehalt für die entsprechenden Untersuche. Eine Studie zeigt: Der Wechsel hat gezielt gewirkt – und die Gesundheit von Neugeborenen in ärmeren Verhältnissen verbessert.

, 24. Juli 2025 um 01:15
image
Bild: Amr Taha™ / Unsplash
Seit zehn Jahren sind Frauen vor und nach der Geburt eines Kindes gänzlich von der Kostenbeteiligung in der Grundversicherung befreit: Ab der 13. Schwangerschaftswoche bis acht Wochen nach der Geburt zahlen sie weder Franchise noch Selbstbehalt. Damit wollte das Parlament verhindern, dass Frauen mit Schwangerschafts-Komplikationen mehr bezahlen müssen als Frauen ohne Komplikationen.
Die Gesetzesänderung trat 2014 in Kraft – und eröffnete damit ein ideales Testfeld für die Frage, wie stark sich Kostenbeteiligungen auf das Verhalten im Gesundheitswesen auswirken. Ein Forschungsteam der CSS nahm sich nun dieses Themas an: Es wertete dafür Krankenkassendaten aus den Jahren 2012 bis 2019 aus; die Analyse stützte sich auf jährlich knapp 13'500 Geburten.
  • Philip Hochuli, Christian P. R. Schmid: «Insurance Expansion During Pregnancy», Wiley / Health Economics, Mai 2025.
  • DOI: 10.1002/hec.4978
Erste Ergebnisse zeigen: Die Abschaffung der Kostenbeteiligung führte zu einem moderaten Anstieg der Gesamtausgaben. Deutlich war der Effekt allerdings bei einzelnen Leistungen: Physiotherapie wurde um 30 Prozent häufiger genutzt; und die Kosten für Laborleistungen legten um 5 Prozent zu.
Bei den stationären Leistungen sichteten die CSS-Ökonomen indessen – wenig überraschend – keinen Nachfrageeffekt.
Am stärksten reagierten Haushalte mit tiefem Einkommen (unterhalb des Medians). Dort stiegen die Gesamtausgaben nach der Kostenbefreiung um rund 5 Prozent, –bei der Physiotherapie sogar um satte 50 Prozent. Auch Laboruntersuchungen wurden häufiger in Anspruch genommen.

Tiefere Morbidität

Schliesslich ging die Studie auch der Frage nach, ob sich gesundheitliche Effekte bei den Neugeborenen feststellen lassen. «Wir nutzen dazu die Tatsache, dass Personen mit tieferen Einkommen mit einer Erhöhung der Nachfrage reagieren, während die hohen Einkommen dies nicht tun», so die Autoren zu ihrer Überlegung.
Und siehe da: Die durchschnittliche Morbidität der Neugeborenen nach Einkommen sank; die Aufhebung der Kostenbeteiligung bei den Müttern mit tiefem Einkommen dürfte dabei einen positiven Einfluss gehabt haben. «Unsere Forschung deutet also auf eine leichte Verbesserung der Gesundheit von Neugeborenen aus einkommensschwächeren Familien hin, was auf die positiven Effekte der erhöhten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen während der Schwangerschaft zurückzuführen sein könnte.»
Der erfasste Anstieg der nachgefragten Leistungen dürfte dabei durchschnittlich bei etwa 150 Franken pro Schwangerschaft liegen – sodass der Systemwechsel jährlich 6 bis 7 Millionen Franken an zusätzlichen OKP-Kosten mit sich brachte. Hinzu kommen die Rückgänge bei den Beiträgen der schwangeren Frauen: Was etwa 40 bis 50 Millionen Franken pro Jahr ausmachen dürfte.
  • versicherer
  • schwangerschaft
  • Gesundheitskosten
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Clever statt teuer: Neue Wege für die Pflege

Die zweite Etappe der Pflegeinitiative lässt sich stemmen – auch ohne höhere Prämien oder mehr Steuergeld. Wenn man bereit ist, über den Tellerrand zu schauen. Denn der Staatshaushalt hätte Spielraum.

image

Swica zahlt wieder für Genfer Privatkliniken

Die anderen grossen Kassen haben sich bereits mit den Spitälern geeinigt. Nun hat auch die Swica wieder einen Vertrag für ihre Privat- und Halbprivatpatienten in drei Genfer Kliniken.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

Eingebildete Explosionen und teure Luftschlösser

Jedes Jahr gibt es dieselbe Diskussion über steigende Gesundheitskosten. Und jedes Jahr die gleichen Rezepte: Einheitskasse, mehr Staat, Pauschalbudgets. Diesmal alles auch in Buchform.

image

Viva Health: Von der Ausnahme zur Regel

Letztes Jahr konnte das neuartige Grundversicherungs-Angebot im Jurabogen die Prämien stabil halten – es war ein spannender Spezialfall. Und jetzt?

image

Herzschrittmacher: Schweizer Spitäler in der Preisfalle

Eine NZZ-Recherche bestätigt enorme Preisunterschiede bei Implantaten: Für denselben Herzschrittmacher bezahlen Schweizer Spitäler teils das Fünffache deutscher Kliniken. Der Preisgraben wirft Fragen zur Einkaufspolitik auf.

image

Die Prämien steigen nächstes Jahr um 4,4 Prozent

Die durchschnittliche Teuerung der Krankenkassen-Kosten liegt damit im Rahmen der Erwartungen.

Vom gleichen Autor

image

Diese 29 Erfindungen machen die Medizin smarter

Das US-Magazin «Time» kürte die wichtigsten Innovationen des Jahres aus dem Gesundheitswesen. Die Auswahl zeigt: Fortschritt in der Medizin bedeutet heute vor allem neue Schnittstellen zwischen Mensch, Maschine und Methode.

image

Privatklinik Aadorf: Führungswechsel nach 17 Jahren

Die Privatklinik Aadorf bekommt einen neuen Leiter: Michael Braunschweig tritt die Nachfolge von Stephan N. Trier an.

image

Baselbieter Kantonsparlament stützt UKBB

Das Universitäts-Kinderspital beider Basel soll frische Subventionen erhalten, um finanzielle Engpässe zu vermeiden. Der Entscheid im Landrat war deutlich. Doch es gibt auch Misstrauen.