«Zehn Prozent der Operationen sind fehlerhaft»

Ein weiteres Fachbuch kommt auf den Markt: «Patient Gesundheitssystem». Warum es dazu ein weiteres Buch braucht, erklärt Mitautor Eduard Hauser im Interview.

, 12. November 2018 um 10:30
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Herr Hauser warum braucht es ein weiteres Buch über das Gesundheitswesen?

Wir haben eine andere Optik als andere Autoren und stellen die ganzheitliche Sicht der Volkswirtschaft ins Zentrum. Wir bleiben nicht bei den üblichen betriebswirtschaftlichen Inhalten stehen. 100 Prozent Qualität ist im Zentrum. Also: Produktequalität, Servicequalität und Qualität der Abläufe.

Könnten Sie dies etwas konkreter formulieren?

Gemeint sind gültige Diagnosen, verlässliche Therapien, wertschätzende Kommunikation mit Patienten und Angehörigen, weniger Schnittstellen und Irrtumsquellen in den Abläufen, um die Durchlaufzeiten zu reduzieren und die Effizienz zu steigern. Weiter Caremanagement mit Berücksichtigung der Kosten für Lohnausfall und Invalidität, sowie den Risikodialog und die Prävention mit Nutzenstiftung im Verhältnis von eins zu vier. Schliesslich die Mortalität in Spitälern und die Infektionserkrankungen und so weiter und so weiter.

Das ist mir zu theoretisch: gültige Diagnosen, verlässliche Therapien, wertschätzende Kommunikation. Das haben wir alles schon heute.

Schön wärs. 2012 wurden in der Schweiz 17’000 Knieprothesen und 21’900 Hüftoperationen durchgeführt -Tendenz weiter zunehmend. 10 Prozent dieser Operationen sind fehlerhaft. Bei einem Durchschnittsbetrag von 10’000 Franken ergäben das Einsparungen von 39 Millionen Franken. Beispiel Psychiatrie:.......

....Moment, Moment. 10 Prozent der Knie- und Hüftoperationen seien fehlerhaft, sagen Sie. Woher haben Sie diese Zahl?

Von Swissnoso. Nehmen wir an, dass 10 Prozent dieser Operationen fehlerhaft wären. Bei einem Durchschnittsbetrag von 10’000 Franken ergäben das Einsparungen von 39 Millionen Franken. Infektionsraten bewegen sich zwischen 10 und 15 Prozent. Die Mortalität bei komplexen Operationen bewegt sich zwischen 5 und 10 Prozent. Die Daten stammen von qualitätszertifizierten Spitälern in der Schweiz.

Sie wollten etwas zur Psychiatrie sagen.

500’000 Betroffene befinden sich in psychiatrischer Behandlung. Die Arbeitsunfähigkeit pro Fall für ein halbes Jahr liegt bei 10 Prozent der Betroffenen – 50’000 Personen mit Lohnausfall bei Einkommen von durchschnittlich 60’000 Franken führen zu volkswirtschaftlichen Kosten von 3 Milliarden Franken.

Ich komme nicht draus: Wollen Sie damit sagen, dass 10 Prozent der Personen, die wegen psychischer Probleme der Arbeit fernbleiben, gar nicht krank sind?

Nein. Die Psychiater schreiben diese Personen arbeitsunfähig, weil sie in der Firma mit negativen Reaktionen rechnen müssen. Wichtig ist, dass viele Schmerz-, Schlafmittel und Antidepressiva verschrieben werden, mit negativen Langzeitwirkungen.

Qualität hat seinen Preis. Plädieren Sie nun für eine Senkung der Kosten oder für eine Verbesserung der Qualität?

Qualität senkt bei systematischem Qualitätsmanagement die Kosten. 10 Prozent Kosteneinsparungen in Spitälern sind realistisch. Beim grössten Kostenblock im Gesundheitswesen von rund 40 Milliarden entspricht das einer Ersparnis von 4 Milliarden Franken. Die Umsetzung des Qualitätsmanagement braucht rund zwei Jahre, im Verbund mit regelmässigen Audits, die Lernprozesse zur Verbesserung der Situation auslösen. Die Schweiz hat ein Überangebot an Spitälern. Viele sind nicht optimal ausgelastet. Das geht  richtig ins Geld.

Für Qualitätsmessungen in stationären Einrichtungen ist der ANQ besorgt. Was konkret sollte der ANQ besser oder anders machen?

Der ANQ macht Befragungen in der Akutsomatik. Da werden einfache Fragebogen zur Zufriedenheit des Aufenthalts ausgerichtet auf die Operationsart mehrheitlich digital beantwortet. Meine Fragen gehen hin zur Repräsentativität, zur Gültigkeit und Verlässlichkeit der Antworten. Es ist damit zu rechnen, dass die Befragten sozial erwünschte Antworten geben. Patientenforen mit direkter Kommunikation wären wahrscheinlich aussagekräftiger. Wichtig ist die Nachhaltigkeit der Behandlung, nicht nur die Beurteilung unmittelbar nach der Behandlung.

Es stimmt nicht, dass punkto Qualitätsmanagement nichts gemacht wird. Kennen Sie Ichom? Das Unispital Basel etwa betreibt einen grossen Aufwand zur Qualitätsmessung und stützt sich dabei auf die Erfahrung des International Consortium for Health Outcomes Measurement, eben Ichom.

Ja, das ist lobenswert. Auch hier fehlt die Optik der Prozessqualität, die als Ganzes für die Verbesserung der Effizienz und der Zuverlässigkeit von Eingriffen entscheidend ist. In der Schweiz sind aktuell viele Spitäler qualitätszertifiziert. Es bestehen aber keine Outcome-Messungen, zum Beispiel zwei Jahre nach der Behandlung. Da zeigt sich die Nachhaltigkeit des Eingriffs oder der Behandlung.

Stimmt nicht. Bei Ichom werden Messungen mitunter bis zehn Jahre nach der Behandlungen durchgeführt. Anderes Thema: Sie plädieren unter anderem für die Aufhebung des Vertragszwangs. Ich habe noch kein Buch gesehen, in dem nicht eben das gefordert wird. Und doch passiert nichts.

Wir haben den Vertragszwang als Problem bezeichnet und wissen, dass diese Aufhebung am politischen Willen scheitern würde. Wir möchten, dass die Ärzte Qualitätsstandards erfüllen müssen; richtige Diagnosen, nachhaltige Therapien, Anzahl gerichtliche Klagen. Bei 

Die Buchvernissage mit Brida von Castelberg als Referentin, ehemalige Chefärztin der Frauenklinik im Triemlispital,  findet statt am 28. November 2018 an der Pädagogischen Hochschule Zürich: 1900 bis 2130 Uhr.
Haftpflichtfällen sind nicht alle Forderungen berechtigt, Beschwerden und Reklamationen von Patienten; über 90 Prozent der Beschwerden enden in einem Vergleich. Feedbacks von Patienten nach der Entlassung aus der Behandlung in Foren. Schlicht und einfach: Risikomanagement und Dialog. Was würde der Patient wollen, wenn er wüsste was er bräuchte?. Dies ist unser Anliegen. Der beste Kostensenkungsfaktor.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass es die Interessenvertreter seien, die grössere Einsparungen verhinderten. Das ist bekannt. Sie schreiben aber nicht, wie diese Hindernisse und Widerstände gebrochen werden könnten.

Die Hindernisse, die Widerstände, der fehlende Wille oder die Unfähigkeit zu reformieren, sind im Buch in separaten Kapiteln beschrieben. Sehen Sie sich die beiden Appenzeller Kantone an bezüglich der Gesundheitskosten. Diese sind beim eigenen Spital viel höher. Wir haben schlicht zu viele Häuser, und es wird immer schwieriger, dass die Ärzte so auf die geforderten Fallzahlen kommen.

Haben Sie Beispiele?

Die Mandate der Parlamentarier im Gesundheitswesen müssen unbedingt hinterfragt oder allenfalls verboten werden. Das Einkommen dieser Mandate müsste offengelegt werden. «Wess Brot ich ess, des Lied ich sing.» 
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Eduard Hauser, Jahrgang 1946, studierte an der Universität St. Gallen Wirtschaftswissenschaften (lic. oec. HSG) und promovierte an der Newport University (USA) zum PhD of Business Administration. Er war als Personal- und Ausbildungsleiter sowie Organisations- und Projektleiter in der Industrie- und Dienstleistungsbranche tätig. Seit 1985 ist Eduard Hauser Inhaber der Hauser & Hauser AG, Beratung für Unternehmens- und Personalentwicklung, VR, Autor verschiedener Publikationen, Präsident von «entwicklung-schweiz.ch» und Vorstand bei Idee-Suisse.

Das ist bekannt. Wer aber soll dieses Verbot durchsetzen, wenn nicht die Parlamentarier selber? Das ginge wohl nur mit einer Volksinitiative.

Eine Volksinitiative ist sicher eine Möglichkeit, funktioniert aber nur bei starkem Leidensdruck. Dieser ist in der wohlhabenden Schweiz vorläufig noch zu wenig vorhanden. Eine andere Möglichkeit ist der Druck über die Medien - die Skandalisierung über die Medien - wie es auch in anderen Lebensbereichen schon gemacht worden ist. Der Druck von unten mit Publikation in der Öffentlichkeit hat Wirkung.

Sie schreiben, der Preisüberwacher müsste bei der Festlegung der Medikamentenpeise mehr Kompetenzen haben. Dazu bräuchte es eine Gesetzesänderung – was von den Lobbyisten verhindert würde.

Auch hier gilt das gleiche: Gesetze können über Initiativen oder Referenden verändert werden. Die Diskussion in der Öffentlichkeit könnte Wirkung in die richtige Richtung erzielen. Die Preise für die halbprivat und privat Versicherten sind ein Mehrfaches der Grundversicherung. Sie sind zum Teil so hoch, dass immer weniger Personen sich diese leisten können. Sie bringen den Häusern und Ärzten jedoch schöne Beiträge an die Infrastruktur und Deckungsbeiträge für die Spitäler. 

(Das Interview wurde schriftlich geführt)

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Replik: «ANQ korrigiert die Falschaussagen»

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