Will der Kanton Bern etwa ein weiteres Spital schliessen?

Die Spital STS AG wollte eine regelmässige Subvention für das Spital Zweisimmen. Der Kanton Bern sagt Njet. Zumindest vorerst.

, 15. September 2017 um 08:57
image
  • spital
  • kanton bern
  • spital simmental-thun-saanenland
Das Projekt heisst «Dr. House»: In Zweisimmen plant die Spital STS AG einen Neubau, welcher ein Akutspital, Alterswohnen und Hausarztmedizin vereinigen wird. Die Kosten dafür belaufen sich auf knapp 52 Millionen Franken – davon 43 Milionen für das neue Spital.
Für den Betrieb dieses Standorts beantragte die STS im Februar eine kantonale Unterstützung: Das versorgungsnotwendige Spital Zweisimmen mit dem vorgeschriebenen Basispaket solle mit 3,4 Millionen Franken abgesichert werden – jährlich wiederkehrend.

Bisher ging's doch auch

Aber nichts da. Die zuständige Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons sichtet zu viele offene Fragen «hinsichtlich des künftigen Betriebs und insbesondere des Angebotsportfolios». Daher könne der Antrag noch nicht abschliessend beurteilt werden.
In einer heute veröffentlichten Mitteilung erinnert die Behörde allerdings daran, dass auch versorgungsnotwendige Vorhalteleistungen grundsätzlich über den OKP-Tarif abzurechnen seien. Der von der STS AG mit den Krankenversicherern ausgehandelte Tarif müsse also die Kosten für das Gesamtunternehmens decken – mit beiden Standorten. Dies sei bisher ja auch stets der Fall gewesen.
Und so erhebt die Gesundheitsdirektion gleich einen Warnfinger: Das «grosse Neubauprojekt» vermöge «in der dargestellten Form die GEF nicht zu überzeugen.» Es fehle ein genügend detailliertes Betriebskonzept, eine Kosten-/Nutzenanalyse und «ein Hinterfragen des Preis-Leistungsverhältnisses». Mit anderen Worten: Da werde wohl zu teuer geplant…
image
«Dr. House» – Die STS-Gruppe projektiert in Zweisimmen einen Neubau mit 30 Betten für das Akutspital und 26 Pflegeplätzen für das Alterswohnen; hinzu kommen Infrastruktur und Diagnostik für eine integrierte Patientenversorgung mit ambulanten Spital- und Hausarztangeboten. Die Eröffnung des Doktor-House war ursprünglich für Herbst 2018 vorgesehen. Beim Projekt investiert die Spital STS AG direkt sowie mit der Tochtergesellschaft Alterswohnen STS AG gut 50 Millionen Franken.
Die Behörde sei aber bereit, ein neues Gesuch zu prüfen, sobald die Tarifverhandlungen mit den Krankenversicherern für 2018 abgeschlossen und die Fragen zum Neubau und zum Betriebskonzept geklärt sind.

Nachweislich effizient

Die Leitung der Spital STS AG reagierte mit «Enttäuschung» auf diesen Entscheid – und vor allem sehr irritiert. Denn in all den Monaten seit Einreichung des Antrags habe es aus Bern keinerlei Rückfragen dazu gegeben. Noch im Juni konnte eine Delegation des STS-Verwaltungsrats dem Regierungsrat das Gesuch en detail präsentieren. Die Argumente und offenen Punkte, welche die Behörde nun vorbringt, seien dabei niemals angesprochen worden.
Andererseits gehöre die Spital STS AG nachweislich zu den effizientesten Akutspitälern in der Schweiz: «Es ist befremdend, wenn nun diese effiziente Betriebsführung plötzlich als nicht hinreichend beurteilt wird», so die Mitteilung aus Thun.

Jetzt also nochmals verhandeln?

Und weiter: Der Verweis des Kantons auf eine Kostenbeteiligung der Krankenversicherer führe in die Irre. Denn der Fall sei klar – die Kassen spielten da nicht mit. «Die Krankenkassen akzeptieren keinen höheren Tarif für das Spital Zweisimmen, diese Frage wurde bereits vor Jahren geklärt», schreibt Kommunikations- und Marketing-Chefin Marie-Anne Perrot: «Trotzdem verlangt die GEF, dass die Tarifverhandlungen mit den Krankenversicherern für das Jahr 2018 neu geführt werden müssen. Die Spital STS AG ist von diesem ihr übertragenen Auftrag irritiert.»
Und so kommt der Verwaltungsrat zum Schluss, dass die Gesundheitsdirektion sich um das Kernproblem foutiert, welches sich so darstellt: 

  • Das Spital Zweisimmen kann als Akutspital seit Jahren nicht annähernd kostendeckend geführt werden.
  • Das jährliche Betriebsdefizit in Millionenhöhe wird seit jeher vom Spital Thun getragen.
  • Diese wiederum – so die Befürchtung der Leitung – führt dazu, dass damit auch der Hauptstandort Thun mittelfristig gefährdet werden könnte.

Was wollt ihr denn?


Der Verwaltungsrat sieht sich also in einem unlösbaren Zielkonflikt zwischen der Eigentümerstrategie und dem Aktienrecht (welche Wirtschaftlichkeit, Werterhaltung und Vermögensschutz vorschreiben), sowie andererseits den vom Kanton bestellten Leistungen für das versorgungsnotwendige Spital Zweisimmen.
Kurz: Mit der Ablehnung stelle sich nun die zentrale Frage, «wie und ob sich der politische Auftrag mit Versorgungsnotwendigkeit am Spitalstandort Zweisimmen überhaupt noch realisieren lässt».
Die Spital STS (Simmental-Thun-Saanenland) AG führt Spitalbetriebe in Thun und Zweisimmen, womit sie gut 130‘000 Menschen versorgt. Sie beschäftigt gut 1‘800 Mitarbeitende, behandelt jährlich 16‘000 stationäre Patienten und verzeichnet über 200‘000 ambulante Patientenbesuche.
Im letzten Jahr verzeichnete die Gesellschaft eine Ebitda-Marge von 9,3 Prozent. Das ist strukturell eher knapp, gemessen an vielen vergleichbaren Schweizer Spitälern jedoch ein überaus guter Wert.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Spitäler 2025 und 2026: Bessere Margen – aber grosse Tarif-Fragezeichen

Die Finanzchefs der Schweizer Spitäler erwarten fürs Erste eine etwas bessere Rentabilität. Zugleich sorgt das neue Tarifsystem für Unsicherheit. Die Erwartungen reichen von Mehreinnahmen bis zu spürbaren Einbussen.

image

Die 10-Prozent-Illusion der Schweizer Spitäler

Eine Betriebsrendite von zehn Prozent galt lange als Überlebensregel für Akutspitäler. Womöglich ist dieser Richtwert inzwischen zu tief. Die Beratungsfirma PwC fordert mehr Effizienz – die Spitäler höhere Tarife.

image

Spitalhygiene: Geschlechtsneutrale WCs bergen ein Risiko

In schottischen Krankenhäusern wurden Damen-, Herren- und Unisex-Toiletten auf Keime geprüft. Heraus kamen drastische Unterschiede.

image

Eine Zusammenarbeit, vernetzt wie das Gefässsystem

Wie in den meisten anderen medizinischen Fachbereichen setzt das Spital Lachen auch in seinem Gefässzentrum auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie garantiert den Patientinnen und Patienten eine professionelle und ganzheitliche Diagnostik, Behandlung und Nachbehandlung.

image

Ressourceneffizienz bei Schweizer Spitälern

Interview von Unite mit Andrea Raida M.Sc., Projektleiterin Health Care Logistics am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, über Ergebnisse des Forschungsprojekts «Green Hospital»

image

Spital Lachen rückt die Gefässmedizin ins Zentrum

Gefässerkrankungen sind verbreitet und können Menschen jeden Alters betreffen. Unbehandelt können schwerwiegende Komplikationen wie Gefässverschlüsse oder Organschäden folgen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist essenziell – genau hier kommt das Gefässzentrum des Spitals Lachen ins Spiel.

Vom gleichen Autor

image

Spital heilt, Oper glänzt – und beide kosten

Wir vergleichen das Kispi Zürich mit dem Opernhaus Zürich. Geht das? Durchaus. Denn beide haben dieselbe Aufgabe: zu funktionieren, wo Wirtschaftlichkeit an Grenzen stösst.

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.