Grippeimpfung - ja oder nein? Das fragen sich im Herbst und am heutigen nationalen Grippeimpftag nicht nur Patientinnen oder Patienten. Die Frage muss sich auch das Personal in Spitäler stellen. Denn die Arbeitgeber bevorzugen geimpftes Personal. Dazu werden etwa die Impfungen kostenlos angeboten. Doch der Erfolg ist beschränkt.
Wie Medinside vorliegende Zahlen der drei Deutschschweizer Unispitäler sowie des Luzerner Kantonsspitals (Luks) zeigen, ist die Durchimpfrate weiterhin tief. Dies speziell beim Pflegepersonal.
Eine im Vorjahr publizierte Studie der Basler Pflegewissenschaftlerin Dunja Nicca nennt dafür folgende Hauptgründe:
- Das Personal will einen gesunden und auf natürliche Weise widerstandsfähigen Körper. Dies führt dazu, dass die Impfung abgelehnt wird.
- Das Personal will autonom über den eigenen Körper und die eigene Gesundheit entscheiden.
- Das Personal hat das Gefühl, von den Arbeitgebern in den ersten beiden Punkten bevormundet und fehlinformiert zu werden. In der Folge verstärkt sich die Ablehnung der Impfung.
- Das Pflegepersonal vertraut im Bezug auf die Grippeimpfung den Ergebnissen faktenbasierter Forschung wenig.
«Unverkrampfter Umgang»
Der Pflegeverband SBK rät seinen Mitgliedern zur Impfung. Vieles spreche dafür, sagt Roswitha Koch, Leiterin des Bereich Pflegeentwicklung bei der SBK. Auch sie selbst sei geimpft. Gleichwohl empfiehlt sie den Spitälern einen «unverkrampften» Umgang mit der Impfung. Sie rät, das Wohl der Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Denn es gebe neben der Impfung andere gute und wichtige Methoden, um die Patienten vor Ansteckungen zu schützen. Dies etwa indem das Personal Mundschutz und Handschuhe trägt. Koch weisst darauf hin, dass eine Grippeimpfung zu keiner vollständigen Immunität verhilft. So habe der Schutz in der vergangenen Grippesaison nur zwischen 25 und 52 Prozent betragen. Im Unispital Genf hätten deshalb selbst geimpftes Personal einen Mundschutz tragen müssen.
Ein Impfobligatorium gegen Grippeviren ist in der Schweiz rechtlich nicht zulässig. Die Spitäler müssten deshalb das Personal mit ins Boot holen.
Grosse Unterschiede zwischen Spitälern
Wichtig sei, dem Personal glaubhaft zu erklären, weshalb eine Grippeimpfung sinnvoll sei, sagen Koch vom SBK. Auch Forscherin Nicca kommt wie erwähnt zum Schluss, das Druckversuche kontraproduktiv sind.
Im bestreben, das Personal zum Impfen animieren, sind die befragten Spitäler unterschiedlich erfolgreich. Während am Unispital Zürich nur 13 Prozent des Pflegepersonals (und 40 Prozent der Ärzte) geimpft sind, liegt die Impfrate am Inselspital mit 36 Prozent fast drei Mal höher (Ärzte 59 Prozent). Was machen die Berner besser? Man setze auf eine Strategie aus «Information, guter Zugänglichkeit zur Impfung sowie der Maskentragepflicht auf Risikoabteilungen», teilt die Insel Gruppe auf Anfrage mit. Zudem würden Mitarbeitende mit Erkältungsbeschwerden grundsätzlich angehalten, zum Schutz von Patienten Masken zu tragen; auch Besucher werden an den Eingängen gebeten, eine Maske zu tragen, wenn sie erkältet sind. Vieles davon handhaben alle Spitäler gleich.
Rate steigt überall an
In allen Spitälern steigt die Impfrate an. In Luzern hat sie sich in den letzten vier Jahren beim Pflegepersonal beinahe verdoppelt (aktuell 22 Prozent - Ärzteschaft 59 Prozent). Am Luks werden sogenannte Grippeschutz-Champions ernannt, die auf ihren Stationen für eine Sensibilisierung sorgen sollen. Dazu gehöre nicht nur die Impfung, sondern etwa auch die Händehygiene, das Tragen von Masken bei Erkältung, die Regel, wonach kranke Mitarbeiter zu Hause bleiben sollen. In Basel (Pflege 24 Prozent; Ärzte 51 Prozent) setzt man unter anderem auf ein jährliches Schreiben des Spitaldirektors, das die Mitarbeitenden zum Impfen auffordert.