In den Schweizer Spitälern werden jedes Jahr rund 3800 Schilddrüsen operiert. Nötig sind solche Operationen meistens dann, wenn diese Drüse unter dem Kehlkopf zu viele Hormone produziert, Knoten oder Tumore bildet.
Acht Patienten operiert
Die meisten Chirurgen machen für diese Operation einen mindestens vier Zentimeter langen Schnitt am Hals. Im Spital Emmental setzen Chirurgie-Chefarzt Stephan Vorburger und sein Stellvertreter Daniel Geissmann das Skalpell hingegen im Mund hinter der Unterlippe an. Seit Oktober haben die Emmentaler bereits acht Patienten auf diese Weise an der Schilddrüse operiert.
Das Regionalspital ist das erste Spital in der Deutschschweiz mit dieser Operationstechnik. Erstmals in der Schweiz hat der Chirurg Jordi Vidal Fortuny in der Sittener Klinik Valère diese Methode angewandt. Die Instrumente werden über drei Schnitte im Mund und dann unter der Haut dem Kinn entlang geführt.
Kein höheres Infektrisiko
Daniel Geissmann hat die neue Operationstechnik über drei Monate in Bangkok beim Erfinder dieser Methode gelernt. Bei der Operation durch den Mund bleibt keine sichtbare Narbe zurück. Die Patienten würden auch weniger Schmerzen verspüren. Nur das Empfinden am Kinn sei nach dem Eingriff manchmal für kurze Zeit ein wenig anders. «Entgegen den ursprünglichen Befürchtungen ist das Infektrisiko beim Zugang durch den Mund nicht höher als beim Halsschnitt», erklärte Daniel Geissmann gegenüber Medinside.
Die neue Methode dürfte vor allem von Patienten bevorzugt werden, die keine Narbe am Hals möchten. Allerdings kann sie nicht bei allen angewendet werden. «Die herkömmliche Technik ist im Moment immer noch Standard», sagt Daniel Geissmann. Vor allem wenn die Schilddrüse oder die Knoten sehr gross sind, lässt sich nicht über den Mund operieren.
Im Inselspital nach wie vor nach konventioneller Methode
In den grossen Kliniken wie etwa im Berner Inselspital wird nach wie vor auf konventionelle Art operiert. Mit gut 220 Schilddrüsen-Operationen gehört die Insel zu den vier Spitälern mit den höchsten Fallzahlen. An der Insel werden alle Operationen über einen knapp vier Zentimeter langen Halsschnitt gemacht.
«Nach einem Jahr ist dieser Schnitt kaum noch sichtbar und wird von Patientinnen und Patienten nicht als störend empfunden», sagt Reto Kaderli, Oberarzt Viszerale und Transplantationschirurgie und Leiter Endokrine Chirurgie am Inselspital.
Mit dieser Operationstechnik habe das Spital minimale Komplikationen. Hingegen bestehe bei der neuen Methode ein Risiko, dass beim Herausschneiden von grösseren Gewebeteilen der Kinnnerv geschädigt werden könne.
Zudem sei die Operationsdauer beim Zugang durch den Mund höher. Selbst bei erfahrenen Chirurgen dauere diese Operation 100 Minuten, die offene Variante über den Halsschnitt jedoch nur 79 Minuten.