Krankenkassen: Der ideale Sog-Effekt

Unsere These: Die CSS ist höchstens der Trendsetter – bald schon wird jeder Krankenversicherer seinen Kunden einen Rabatt bieten, wenn sie sich per Fitness-Tracker testen lassen.

, 17. Juni 2016 um 06:00
image
  • trends
  • versicherer
Das Muster kommt bekanntlich auch in Europa auf: Wer pro Tag eine gewisse Zahl Schritte geht und dies durch einen Tracker aufzeichnen lässt, erhält einen Rabatt auf seiner Prämienrechnung. In der Schweiz ist die CSS die erste Krankenversicherung, die solch ein Modell einführen will; es soll bereits in diesem Sommer lanciert werden.
Das Angebot werde später auch auf weitere Bewegungsarten ausgeweitet, etwa Velofahren und Schwimmen, sagte die designierte CSS-Chefin Philomena Colatrella unlängst in einem Interview. «Wir können uns auch vorstellen, ein Rabattangebot für Kunden einzuführen, die sich nachweislich gesund ernähren.»

Am Schluss gibts einen Amazon-Gutschein

Geht's um Daten? Geht's um Prävention und allgemeine Gesundheitsförderung? Vielleicht nicht nur. Die amerikanische Digital-Krankenkasse Oscar – die wir auf Medinside schon mehrfach vorgestellt haben – liess ihre Versicherten bereits seit Januar 2015 nach Fitness-Zielen streben. 
Konkret: Wer sich dort versichert (und mitmachen will), kann sich seither einen Misfit-Fitness-Tracker anschnallen und mit der Versicherung Ziele vereinbaren. An jedem Tag, an dem er diese Ziele erreicht, erhält er einen Dollar, der am Ende jeweils in 20-Dollar-Amazon-Gutscheinen ausbezahlt wird. Die Obergrenze liegt bei 240 Dollar im Jahr (mehr dazu hier).

Mehr gesunde Versicherte als zuvor

Und wie kommt das an? Die Kalifornien-Chefin von Oscar, Holly Bui, präsentierte nun an einer Konferenz in San Francisco ihre Erfahrungen. Das überraschende Resultat war, dass der Nutzen weit über das bisschen Fitness-Verbesserung bei den Versicherten hinaus geht. Der wichtigste Punkt war laut Buis Darstellung, dass das Angebot eine ideale Sog-Wirkung entwickelt: Es zieht Leute an, die ohnehin schon fitnessbewusst sind. Man habe jetzt, seit Einführung des Tracker-Angebots, mehr gesunde Versicherte als zuvor, so Bui.
Obendrein schaffe die digitale Messung eine engere Bindung: «Wir fanden heraus, dass die Schritt-Erfassung ein bisschen süchtig macht», so die Managerin: «Die Leute begeben sich wirklich drein, und deshalb gehen sie auch täglich auf die Oscar-App, um nachzuschauen, wo sie stehen und wie nahe sie an ihrem Tagesziel schon sind.» Hinzu kommen natürlich auch die Daten, welche die Versicherung durch ihre freiwillig angeschlossenen Mitglieder gewinnt.

2'000 Schritte sind auch schon was

Kein Wunder also, dass Oscar recht tolerante Vorgaben macht. Oder anders: Man darf sich die Ziele gleich selber setzen, und wenn das nur 2'000 Schritte pro Tag sind, wird der Dollar am Abend trotzdem fällig.
Denn weitere Vorteile kommen hinzu. Inzwischen können die Freiwilligen ihre Schritte gleich direkt über die Oscar-App messen lassen; und so stellt das Unternehmen fest, dass jene Kunden, die sich hier angemeldet haben, nicht nur häufiger auf die App und auf die Unternehmens-Site gehen – sondern zum Beispiel in einem zweiten Schritt die Telemedizin-Dienste intensiver nutzen.
Kommt hinzu, dass die Zufriedenheit bei jenen (eben meist eher fitten) Personen wächst, die am Ende des Jahres ihre Versicherungsausgaben üblicherweise als Geldverschwendung empfinden: Das Engagement mit dein eigenen Fitness-Daten (und die Rabatte daraus) werden hier zumindest als Bonus empfunden. «Das Schritte-Tracking-Programm», so Bui, «bildet für die Leute eine neue Art, um sich Daten über sich zu verschaffen, die sie etwas angehen.»

  • Mehr über die Erläuterungen am Mobile Health News Event 2016: «MHN 2016: For Oscar, step tracking is about member engagement, not just health», in: «Mobile Health News», Juni 2016.

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Ärzte sollen heilen, nicht vorbeugen

Prävention hat längst einen festen Platz in der Grundversorgung. Doch nun regen Mediziner einen Kurswechsel an: Sie erkennen Prävention als Problem.

image

Prio.Swiss hält gar nichts von höheren Senioren-Prämien

Keine Abkehr vom Solidaritätsprinzip: Der neue Krankenkassenverband findet höhere Prämien für alte Menschen ungerecht – und eine unnötige Verkomplizierung.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

Beenden wir die Zwangsehe der Tarifpartner

Regulierung und Bürokratie treiben die Gesundheitskosten in die Höhe – ohne Mehrwert für die Bevölkerung. Vertragszwang, Zwangsgemeinschaft der Tarifpartner, Territorialitätsprinzip: Wir sollten solche alten Zöpfe abschneiden.

image

Swica baut ab: 30 Stellen und drei Regionaldirektionen

Die Winterthurer Krankenkasse Swica spart 50 Millionen Franken Verwaltungskosten und streicht drei Regionaldirektionen.

image

Vertragszwang: Mehr Wettbewerb – oder nur mehr Bürokratie?

Nun will auch die Gesundheitskommission des Nationalrats den Vertragszwang für Krankenkassen begrenzen, um Überversorgung und Kosten einzudämmen. Die Spitäler warnen.

image

Luzerner Kantonsspital gründet Virtual-Care-Equipe

Das Team soll den LUKS-Patienten unter anderem eine elektronische 24-Stunden-Betreuung, Hospital@Home-Angebote und Tele-Konsultationen bieten.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.