Der Bundesrat will die Hausärzte künftig als erste Anlaufstelle für Gesundheitsprobleme etablieren. Unglücklich über diesen Vorschlag sind ausgerechnet die Hausärzte. «Wir lehnen die Vorschläge ab, weil sie in die falsche Richtung gehen», sagt Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte Schweiz (MFE).
Hausärzte sind günstige Anbieter
Nicht dass die Hausärzte fänden, dass sie keinen wesentlichen Sparbeitrag leisten könnten. Im Gegenteil. Sie zitieren gerne eine Studie des Instituts für Hausarztmedizin Zürich, die zeigt: Haus- und Kinderärzte können fast 95 Prozent aller Gesundheitsprobleme selber lösen. Für diese Leistung verlangen sie jedoch nur 8 Prozent aller Gesundheitskosten.
Diese Zahlen sind auch dem Bundesrat bekannt. Deshalb lautet dessen Vorschlag: Wer ein gesundheitliches Problem hat, soll künftig nicht mehr eigenmächtig einen Spezialisten wählen dürfen, sondern zuerst eine Erstberatungsstelle wählen. Medinside berichtete
hier darüber.
«Keine Patientenbeziehung bei Telemedizin»
Was den Hausärzten nicht gefällt: Als Erstberatungsstelle gelten nicht nur sie, sondern auch telemedizinische Zentren. Und mit diesen Zentren wollen die Hausärzte nicht gleichgestellt werden. Denn MFE ist überzeugt: Hausärzte könnten die Behandlung ihrer Patienten so gut regeln, weil sie die Geschichte und die Bedürfnisse der Patienten kennen.
«Die langjährige Patientenbeziehung vermeidet Kosten», schreiben die Hausärzte in einer Stellungnahme. Bei den telemedizinischen Zentren gebe es jedoch genau diese Patientenbeziehung nicht. Die MFE grenzt sich deshalb bereits jetzt klar ab: Solche Zentren könnten nicht als Erstanlaufstelle funktionieren, betonen sie.
Telemedizin ist bereits wieder weniger gefragt
Anzufügen ist, dass die Hausärzte zumindest derzeit keine grosse Angst haben müssen, dass ihnen die Telemedizin den Rang als Erstanlaufstelle streitig machen könnte. Der kurze Boom bei der Nutzung von Telmed-Angeboten während des Lockdowns im Frühjahr scheint vorbei zu sein.
Nur wenige Krankenversicherte wollen im nächsten Jahr eine Versicherung abschliessen, die ein medizinisches Callcenter als erste Anlaufstelle vorsieht. Das hat der Vergleichsdienst Comparis festgestellt, wie Medinside
hier berichtete.
Zweiter Kritikpunkt: Das Obligatorium
Ein weiterer Dorn im Auge ist den Hausärzten, dass Bundesrat Alain Berset die Erstanlaufstelle für obligatorisch erklären will. Die Hausärzte wollen weiterhin, dass die Patienten sie freiwillig wählen dürfen. Dieses System habe sich bewährt, sagt MFE-Vizepräsidentin Brigitte Zirbs.
Dritter Kritikpunkt: Pauschalpreise
Und noch etwas stört die Hausärzte an den Plänen des Bundesrats: Die Erstberatungsstellen – und damit auch die Hausärzte – sollen mit Pauschalpreisen bezahlt werden. Das möchten die Hausärzte nicht.
Brigitte Zirbs findet Pauschalen in der Haus- und Kinderarzt-Medizin «grundsätzlich schwierig». «Denn der Bedarf an ärztlicher Beratung und Untersuchung kann je nach Patient, Erkrankung und Situation stark variieren.»