Hausärzte wollen nicht mit Telemedizin gleichgestellt werden

Der Bundesrat will mit Hilfe der Hausärzte die Gesundheitskosten senken. Doch diese sind unglücklich, dass auch Telemedizin als Erstanlaufstelle gelten soll.

, 11. November 2020 um 10:20
image
  • ärzte
  • hausärzte
  • mfe haus- und kinderärzte
  • politik
  • bundesrat
Der Bundesrat will die Hausärzte künftig als erste Anlaufstelle für Gesundheitsprobleme etablieren. Unglücklich über diesen Vorschlag sind ausgerechnet die Hausärzte. «Wir lehnen die Vorschläge ab, weil sie in die falsche Richtung gehen», sagt Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte Schweiz (MFE).

Hausärzte sind günstige Anbieter

Nicht dass die Hausärzte fänden, dass sie keinen wesentlichen Sparbeitrag leisten könnten. Im Gegenteil. Sie zitieren gerne eine Studie des Instituts für Hausarztmedizin Zürich, die zeigt: Haus- und Kinderärzte können fast 95 Prozent aller Gesundheitsprobleme selber lösen. Für diese Leistung verlangen sie jedoch nur 8 Prozent aller Gesundheitskosten.
Diese Zahlen sind auch dem Bundesrat bekannt. Deshalb lautet dessen Vorschlag: Wer ein gesundheitliches Problem hat, soll künftig nicht mehr eigenmächtig einen Spezialisten wählen dürfen, sondern zuerst eine Erstberatungsstelle wählen. Medinside berichtete hier darüber.

«Keine Patientenbeziehung bei Telemedizin»

Was den Hausärzten nicht gefällt: Als Erstberatungsstelle gelten nicht nur sie, sondern auch telemedizinische Zentren. Und mit diesen Zentren wollen die Hausärzte nicht gleichgestellt werden. Denn MFE ist überzeugt: Hausärzte könnten die Behandlung ihrer Patienten so gut regeln, weil sie die Geschichte und die Bedürfnisse der Patienten kennen.
«Die langjährige Patientenbeziehung vermeidet Kosten», schreiben die Hausärzte in einer Stellungnahme. Bei den telemedizinischen Zentren gebe es jedoch genau diese Patientenbeziehung nicht. Die MFE grenzt sich deshalb bereits jetzt klar ab: Solche Zentren könnten nicht als Erstanlaufstelle funktionieren, betonen sie.

Telemedizin ist bereits wieder weniger gefragt

Anzufügen ist, dass die Hausärzte zumindest derzeit keine grosse Angst haben müssen, dass ihnen die Telemedizin den Rang als Erstanlaufstelle streitig machen könnte. Der kurze Boom bei der Nutzung von Telmed-Angeboten während des Lockdowns im Frühjahr scheint vorbei zu sein.
Nur wenige Krankenversicherte wollen im nächsten Jahr eine Versicherung abschliessen, die ein medizinisches Callcenter als erste Anlaufstelle vorsieht. Das hat der Vergleichsdienst Comparis festgestellt, wie Medinside hier berichtete.

Zweiter Kritikpunkt: Das Obligatorium

Ein weiterer Dorn im Auge ist den Hausärzten, dass Bundesrat Alain Berset die Erstanlaufstelle für obligatorisch erklären will. Die Hausärzte wollen weiterhin, dass die Patienten sie freiwillig wählen dürfen. Dieses System habe sich bewährt, sagt MFE-Vizepräsidentin Brigitte Zirbs.

Dritter Kritikpunkt: Pauschalpreise

Und noch etwas stört die Hausärzte an den Plänen des Bundesrats: Die Erstberatungsstellen – und damit auch die Hausärzte – sollen mit Pauschalpreisen bezahlt werden. Das möchten die Hausärzte nicht.
Brigitte Zirbs findet Pauschalen in der Haus- und Kinderarzt-Medizin «grundsätzlich schwierig». «Denn der Bedarf an ärztlicher Beratung und Untersuchung kann je nach Patient, Erkrankung und Situation stark variieren.»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Das sind die ersten 4 von 16 geplanten Kostendämpfern fürs Gesundheitswesen

Apotheken und Hebammen sollen mehr Kompetenzen erhalten. Ausserdem müssen die Kantone faire Referenztarife für ausserkantonale Behandlungen festlegen.

image

Nun lässt der Bund das Kostenwachstum bei den Krankenkassen-Leistungen überwachen

In einem Monat beginnt die Kommission für das Kosten- und Qualitätsmonitoring EKKQ, die Preisentwicklung im Gesundheitswesen zu beobachten.

image

Spitäler halbieren Verlust – aber zwei Drittel bleiben im Minus

2024 reduzierten die Schweizer Spitäler ihren Verlust – nach 777 Millionen Franken im Vorjahr waren es nun 347 Millionen. Aber immer noch schreiben fast zwei Drittel der öffentlichen Kliniken rote Zahlen. Die Zahl der Ärzte stieg stärker als jene des Pflegepersonals.

image

Beschwerde gegen das SIWF: Der medizinische Nachwuchs verliert die Geduld

Eine Gruppe von Nachwuchsmedizinern geht vor das Bundesverwaltungsgericht: wegen «ungerechtfertigter Verzögerung» bei der Vergabe von Facharzttiteln.

image

Für Apotheken wird der Verkauf von Medikamenten der Kategorie B einfacher

Die Apotheken sollen nicht unter der Umteilung der Arzneimittel-Kategorien leiden. Der Bundesrat erleichtert ihnen deshalb die obligatorische Dokumentation.

image

Suva soll Asbestopfer-Fonds mitfinanzieren

Die Stiftung Entschädigungsfonds für Asbestopfer (EFA) hat zu wenig Geld. Nun könnte es Unterstützung von der Suva geben.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.