Lieferengpässe: Schweiz ist oft zu unrentabel für Pharmafirmen

Spitäler und Ärzte müssen nicht nur mit Lieferengpässen bei Medikamenten kämpfen. Immer öfter stoppen grosse Pharmafirmen auch den Verkauf in der Schweiz, weil er zu wenig rentiert.

, 29. Oktober 2019 um 23:00
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Das Antibiotikum Augmentin ist nur eine Beispiel unter vielen: Schweizer Spitäler, die es bisher noch nicht gemacht haben, müssen spätestens bis Ende Jahr ihre Antibiotika-Versorgung umstellen. Denn die Pharmafirma Glaxo-Smith-Kline will keine Augmentin-Ampullen und -Suspensionen mehr in die Schweiz liefern. Der Grund: Das Geschäft ist zu wenig rentabel geworden.
Augmentin besteht aus einer Kombination von Amoxicillin und Clavulansäure und wird schon längere Zeit gegen Mandelentzündungen, Mittelohrenentzündungen, Sinusitis, Bronchitis und auch Blasenentzündungen eingesetzt.

Immer wieder Lieferunterbrüche

Doch in letzter Zeit häuften sich die Lieferschwierigkeiten. Dadurch setzte die Lieferantin Glaxo-Smith-Kline eine Abwärtsspirale in Gang: «Die Kombination von Amoxicillin mit Clavulansäure ist wohl eines der am häufigsten gebrauchten Antibiotika überhaupt», erklärt Enea Martinelli, Chefapotheker der Spitäler Frutigen, Meiringen, Interlaken (FMI), auf Anfrage von Medinside.
Wegen der ständigen Engpässe haben viele Spitäler begonnen, auf einen anderen Lieferanten umzustellen. «Es gibt generische Produkte von Sandoz, Mepha, Axapharm, Spirig und Helvepharm», bestätigt denn auch Monika Schäublin-Müller, stellvertretende Leiterin der Geschäftsstelle Heilmittel des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung BWL.

Spitäler wechseln ungern immer wieder die Lieferanten

Hat ein Spital aber erst einmal den Lieferanten gewechselt, bleibt es am liebsten bei diesem. Denn: «Eine Umstellung ist ein ganz erheblicher Aufwand», gibt Enea Martinelli zu bedenken. «Es müssen zum Beispiel die Therapierichtlinien angepasst werden. Das tut man ungerne mehrfach.»
Augmentin konnte immer wieder einmal geliefert werden und kurze Zeit später wieder nicht. «Das nagt etwas am Vertrauen auf konstante Lieferungen», sagt Martinelli.

Schweiz ist zu kleiner Markt

Dass Augmentin ab Ende Jahr in der Schweiz nur noch als Tabletten erhältlich sein wird, sei symptomatisch für einen sehr kleinen Markt wie die Schweiz, erklärt Martinelli. Für Glaxo-Smith-Kline ist der sowieso kaum attraktive Markt für seine Antibiotika-Ampullen und -Suspensionen in der Schweiz zu stark geschrumpft.
«Wir haben uns den Entscheid für einen Rückzug nicht leicht gemacht», schreibt die Firma zwar. Doch wird klar, dass das Geschäft mit Augmentin in der Schweiz einfach zu gering geworden ist. «Von den Injektionen zu 550 mg haben wir nur noch 50 Packungen pro Jahr verkauft», schreibt die Firma den Apothekern. Bei den intravenösen Darreichungsformen musste die Firma nach Ablauf des Verfalldatums 80 Prozent der eingeführten Ware vernichten.

Spitäler müssen oft auf andere Antibiotika ausweichen

«Aufgrund der kleinen Marktanteile sollte der Rückzug die Versorgung der Schweiz mit Amoxicillin-Clavulansäure nicht gefährden», schreibt das Unternehmen. Das kann Monika Schäublin-Müller nicht unbedingt bestätigen. Sie sagt: «Dieser Bereich hat in den letzten Jahren stark unter dem Preiskampf gelitten und die Wirkstoffe kommen fast ausschliesslich aus dem asiatischen Raum.» Die Stabilität der Versorgung sei bereits heute nicht sehr gross und es müsse oft auf wirkungsähnliche Antibiotika mit anderen Wirkstoffen ausgewichen werden.
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