Gewalt gegen Spitalpersonal: USZ ist führend in Europa im Bedrohungsmanagement

In den vergangenen drei Jahren verzeichnete das Universitätsspital Zürich 60 Fälle, die für Mitarbeitende bedrohlich oder gefährlich waren. Nun wurde es für die Bewältigung der Fälle zertifiziert.

, 28. Februar 2017 um 09:23
image
  • universitätsspital zürich
  • spital
  • arbeitswelt
Von verbalen Übergriffen bis zu Todesdrohungen, Suizidankündigungen oder Stalking: Die Mitarbeitenden des Universitätsspitals Zürich (USZ) müssen sich einiges gefallen lassen. Seit 2014 haben sich gemäss Claudio Leitgeb, Bereichsleiter Sicherheit und Umwelt, rund 60 Fälle ereignet, in denen das Bedrohungsmanagement-Team eingreifen musste.

In einem grossen Betrieb wie dem USZ mit über 8'000 Mitarbeitenden und einer hohen Patienten- und Besucherfrequenz sowie einem sehr emotionalen Umfeld bestehe ein erhöhtes Risiko für Bedrohungen. So kann es Angehörigen schwerfallen, den Tod eines Patienten zu verarbeiten. Sie suchen nach Schuldigen und sprechen Drohungen aus. 
«Gewalttaten geschehen selten aus heiterem Himmel. Gerade schwere Fälle kündigen sich oft durch eine lange Vorgeschichte an, und der Täter spricht meistens bereits im Vorfeld Drohungen aus oder verhält sich auffällig», sagt Claudio Leitgeb. 

Eskalation verhindern

Das USZ hat darum im Jahr 2014 ein Bedrohungsmanagement eingeführt. Ziel ist es, bedrohliches Verhalten gegenüber den Mitarbeitenden frühzeitig zu stoppen und so eine Eskalation zu verhindern. 
Das Bedrohungsmanagement-Team ist rund um die Uhr über die Alarmzentrale des USZ Sicherheitsdienstes erreichbar. Es handelt sich um eine interdisziplinäre Gruppe mit Vertretern aus den Bereichen Sicherheits- und Rechtsdienst, Pflege, Psychiatrie und Human Resources Management. Wenn Mitarbeitende melden, dass sie sich bedroht fühlen, tritt die Gruppe zusammen und leitet die notwendigen Massnahmen ein.

Jederzeit einsatzbereit

Nun wurde das USZ als erstes Unternehmen in Europa für sein Bedrohungsmanagement zertifiziert. Verliehen wird das Zertifikat vom Europäischen Fachverband für Bedrohungsmanager (Association of European Threat Assessment Professionals AETAP). Er ist einer von weltweit vier Verbänden, die Fachpersonen, Institutionen und Unternehmen zertifizieren. 
Zum Bedrohungsmanagement des USZ gehören unter anderem die lückenlosen Dokumentation der Abläufe, die Organisation eines jederzeit einsatzbereiten Bedrohungsmanagement-Teams mit internem und externem Netzwerk wie Polizei sowie ein Fallmanagement mit Bedrohungsanalyse. 
Andrea Wechlin, Vorstandsmitglied des AETAP, betonte bei der Übergabe des Zertifikats, dass innerhalb von Europa die Schweiz im Bereich Bedrohungsmanagement am fortschrittlichsten sei. Das USZ sei dabei im Gesundheitswesen führend.

  • Siehe auch: «Gewalt gegen Spitalpersonal: 'An manchen Tagen ist es zum Heulen'»

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Raus aus der Chirurgie, rein in die Privatwirtschaft

«Aufwand und Ertrag stimmen in der Chirurgie nicht», sagt der ehemalige Chirurg Mathias Siegfried. Er zog die Reissleine und wechselte in die Privatwirtschaft.

image

«Nulltoleranz» gegenüber Aggressionen am Spital Wallis

68 Prozent mehr Fälle von asozialem Verhalten in zwei Jahren – Eine neue Richtlinie und eine Sensibilisierungskampagne sollen künftig das Personal vor Übergriffen durch Patienten und Angehörige schützen.

image

Frühpensionierung? Nicht mit uns.

Mitten im Medizinermangel bietet eine grosse deutsche Erhebung ein überraschendes Bild: Nur sehr wenige Ärztinnen und Ärzte streben einen frühen Ruhestand an. Viele möchten bis in die späten Sechziger oder gar Siebziger tätig sein – mit Leidenschaft.

image

Chirurgin oder Mutter? Wenn Karriere und Kinderwunsch kollidieren

Lange Arbeitszeiten, starrer Ausbildungsweg, kaum Spielraum für Teilzeit: Junge Chirurginnen verschieben oft ihre Mutterschaft. Das hat Konsequenzen – auch fürs Fachgebiet.

image

Zulassungs-Stau bei SIWF und MEBEKO: Zürich reagiert

Lange Wartezeiten bei der Titelanerkennung gefährden die medizinische Versorgung. Nun passt das Zürcher Amt für Gesundheit seine Praxis an und erlaubt es teilweise, Ärztinnen und Ärzte provisorisch einzusetzen.

image

Universitätsmedizin bleibt Männersache – trotz Lippenbekenntnissen

In der Westschweiz liegt der Frauenanteil in Top-Arztpositionen höher als in der Deutschschweiz. Eine neue Auswertung der Universitätsspitäler zeigt regionale Unterschiede – und ein nach wie vor tiefes Gesamtniveau bei den Spitzenpositionen.

Vom gleichen Autor

image

Pflege: Zu wenig Zeit für Patienten, zu viele Überstunden

Eine Umfrage des Pflegeberufsverbands SBK legt Schwachpunkte im Pflegealltag offen, die auch Risiken für die Patientensicherheit bergen.

image

Spital Frutigen: Personeller Aderlass in der Gynäkologie

Gleich zwei leitende Gynäkologen verlassen nach kurzer Zeit das Spital.

image

Spitalfinanzierung erhält gute Noten

Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz der neuen Spitalfinanzierung. «Ein paar Schwachstellen» hat er dennoch ausgemacht.