Das digitale Spital: Alles oder nichts

Vom elektronischen Patientendossier bis zur vernetzten Apotheke: Ein deutsches Universitätsspital zeigt, wie der digitale Klinikalltag funktioniert. Und zwar ganz ohne Papier.

, 4. November 2015 um 10:00
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Das deutsche Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) gehört zu den wenigen Spitälern Europas, in denen die Digitalisierung Realität ist. 
IT-Chef Henning Schneider ist denn auch ein gefragter Redner, wenn es darum geht, Erfahrungen aus der Einführung und dem täglichen Betrieb kundzutun. Nun hielt er im Vorfeld der Medizinmesse Medica ein Referat über die Bedeutung der IT in der Medizin und seiner Klinik.
Das Spektrum reicht von der digitalen Apotheke über den vernetzten Operationssaal bis hin zur vollständigen, elektronischen Krankenakte, die 2011 eingeführt wurde. Damals wurde das UKE von der Non-Profit-Organisation HIMSS - transforming health trough IT - als digitales Krankenhaus zertifiziert. 

Keine Zettel mehr

Henning Schneider legte dar, was Digitalisierung im UKE heisst: Es gibt keine Papierdokumente mehr am Patientenbett, die aktuellste Information findet sich immer in der Datenbank. Wer ein Papier erstellt, muss dafür sorgen, dass es eingescannt oder die Information eingegeben wird. 
Die grösste Herausforderung bestand darin, nicht im Prozess stecken zu bleiben und zwei parallele Systeme – Papier und Datenbank – zuzulassen. Nur eine konsequente Einführung der elektronischen Datenquelle führe zum Erfolg, sagt Schneider. 

Einzige zentrale Datenbank

«Die elektronische Krankenakte funktioniert nur, wenn alle Daten auf einer Plattform gesammelt werden», so der IT-Chef. «Wenn es noch Papierdokumente gibt, weiss der Anwender nie, ob es vollständig ist». In dem Fall erzeugen Computer Mehraufwand, weil der Arzt in mehreren Systemen arbeiten muss. 
So entstand nach und nach ein zentrales Informationssystem, das als einzig relevante Datenquelle alle den Patienten betreffenden Daten enthält und diese miteinander in Verbindung setzen kann. 
Damit das funktioniert, muss ein klarer Management-Wille da sein, Digitalisierung durchzusetzen. Arbeitsprozesse müssen neu strukturiert werden. «IT alleine bringt keine Verbesserung», so Schneider. Chefärzte müssen den Wandel vorleben. Digitalisierung sei keine Frage der IT, sondern der Unternehmenskultur.  

Keine kryptischen Schriften mehr

Schneider berichtete auch über Konferenzen von Ärzten unterschiedlicher Fachbereiche, die gemeinsam verschiedene Patienten besprechen. Da sämtliche Daten digital vorliegen, können sich die Ärzte so vorbereiten, dass viel mehr Patienten auf einmal besprochen werden können. Alle Fachbereiche arbeiten an einem einzigen Patientendossier. 
Konkret: Wenn ein Patient von der Dermatologie in die Onkologie verlegt wird, soll jeder Mediziner im Onkologieteam genau und schnell sehen können, welche Voruntersuchungen erfolgt sind und welche Medikation der Patient erhält. 
Allen im Team stehen jederzeit die gleichen Informationen zur Verfügung. Ausserdem geht keine Zeit verloren, um Schriften zu entziffern. 

Digitale OP und Apotheke

Zur Effizienz und Patientensicherheit hat laut Schneider auch die am Bildschirm auszufüllende «Präoperative Checkliste» beigetragen. Darin werden alle Standardanforderungen abgefragt, die vor der Operation eines Patienten erfüllt sein müssen. 
Auch die Medikation wird strukturierter und übersichtlicher als auf Papier, mit der digitalen Apotheke sei die Fehlerrate markant zurückgegangen. Das in sich geschlossene, vollständig digitalisierten System funktioniert so: Zunächst erfasst der Arzt seine Medikation elektronisch, beispielsweise über einen mobilen Visitewagen mit Terminal. 
Jede Verordnung wird auf der Station validiert und geht an die Krankenhausapotheke. Sie erstellt daraus Einzeldosen für jeden Patienten und dokumentiert die Medikamentenabgabe in der Applikation. Bevor der Patient seine Dosis erhält, prüft das Pflegepersonal nochmals, ob die Barcodes übereinstimmen. 
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf umfasst in 14 Zentren mehr als 80 Kliniken, Polikliniken und Institute. Jährlich werden über 90'000 Patienten stationär behandelt, hinzu kommen 291'000 ambulante Patienten. Beschäftigt werden rund 9'600 Mitarbeitende. 
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  • Mehr: E-Health - Das elektronische Patientendossier / Bundesamt für Gesundheit

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