Bald kommt die Schwarze Liste der unnötigen Spitalbehandlungen

Mehr Widerstand gegen teure Rundum-Versorgung: Der SGAIM will, dass auch die Spitäler eine «Top-Five-Liste» der überflüssigen Behandlungen einführen.

, 1. Februar 2016 um 16:10
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Die Hausärzte kennen es bereits: Vor knapp zwei Jahren legten die Allgemeinmediziner eine Liste mit fünf Behandlungen vor, die es grundsätzlich zu vermeiden gilt. Dazu gehören etwa die Verabreichung von Antibiotika gegen unkomplizierte Infekte der oberen Luftwege oder Röntgen bei leichten Rückenschmerzen.
Geplant war, dass die Hausärzte die Pioniere spielen. Andere medizinische Fachgruppen wie Chirurgen oder Kardiologen sollten nachziehen und in ihrem Fachgebiet eine ähnliche Liste mit unnützen Behandlungen erstellen. Und: Auch die Spitäler sollen für ihren Bereich solch eine Auflistung einführen.

«Keine klaren Vorteile für die Gesundheit»

Derzeit erarbeitet die SGAIM, die neue Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin, solch eine Liste für den Spitalsektor; dies berichtet die Sendung «HeuteMorgen» von Radio SRF. Begleitet wird das Projekt von Nicolas Rodondi, dem Leiter der Poliklinik für Innere Medizin am Inselspital.
Zum Radiobeitrag: «Spitäler sollen fünf überflüssige Behandlungen vermeiden»
Auch in den Spitälern würden Therapien und Untersuchungen verordnet, die «keine klaren Vorteile für die Gesundheit der Patienten haben», so Rodondi am Radio. Der Chefarzt erwähnte etwa, dass in den Spitälern oft zu viele Medikamente abgegeben würden, beispielsweise Schlafmittel.
Noch läuft die Diskussion: Was auf die «schwarze Liste» der überflüssigen Spitalbehandlungen kommt, dürfte erst im Mai bekannt werden. Aber ein Indiz wäre die Unnötig-Liste, welche die Poliklinik des Inselspitals selber bereits anwendet. Sie betreffe primär Medikamente, berichtete Chefarzt Rodondi auf Radio SRF: «Aber wir haben zum Beispiel auch Blasenkatheter darauf. Sie werden im Spital zu oft benutzt und verursachen Infektionen».

«Hausaufgaben nicht gemacht»

Bereits vor zwei Wochen, Mitte Januar, hatte die Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW das Thema aufgebracht. Damals richtete sich die Kritik gegen die Spezialärzte. Auch diese Gruppe unternahm bislang wenig zur Erarbeitung einer Negativ-Liste. «Da haben vielleicht die ärztlichen Fachgesellschaften ihre Hausaufgaben nicht gemacht», stellte Hermann Amstad von der SAMW damals fest.
Die Organisation wollte wissen, warum die Spezialärzte nichts unternommen haben, und startete eine Umfrage. Heraus kamen drei Gründe:

  • Die Erstellung einer schwarzen Liste ist mit einem gewissen Aufwand verbunden.
  • Womöglich bestehen gewisse Ängste, wie Patienten auf eine solche Liste reagieren.
  • Womöglich besteht eine Angst bezüglich Einkommenseinbussen.

Die SAMW verspricht sich mehr Qualität von solchen Listen. Darum unternimmt sie jetzt einen neuen Versuch, die Spezialärzte zu überzeugen. Sie sollen prüfen, ob sie analoge Listen aus den USA übernehmen könnten.

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Erfreut übers Engagement: Alain Berset (Bild: Flickr CC)

«Less is more»: Konferenz in Bern

Die medizinische Überversorgung, so zeigt sich, wird zunehmend als akutes Thema begriffen. Und so stand sie auch im Zentrum einer Konferenz, die heute Montag stattfand – einberufen von Gesundheitsminister Alain Berset. Das Expertentreffen, angesetzt im Rahmen der «Agenda 2020», sollte helfen, Sensibilität fürs das Thema der Überversorgung zu schaffen.
Finanzielle Fehlanreize
Rund 300 Akteure des Gesundheitswesens diskutierten unterm Motto «Less is more»: In welchen Bereichen werden überflüssige Eingriffe vorgenommen? Weshalb? Wie lässt sich das Problem angehen? Die Experten waren sind sich einig – so die Mitteilung des BAG –, dass in der Schweiz Behandlungen vorgenommen werden, die etablierten medizinischen Richtlinien widersprechen. Überversorgung sei nicht zuletzt eine Folge von finanziellen Fehlanreizen.
Bundesrat Alain Berset zeigte sich erfreut über das Engagement der Ärzteschaft im Bereich der internationalen Choosing Wisely-Initiativen. Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war die Überversorgung von Patienten in der letzten Lebensphase und im Pflegealltag. Dabei wurde die Erarbeitung eines therapeutischen Ziels als wirksame Massnahme gegen die Überversorgung vorgestellt. 

«More is not always better»: TV-Spot gegen medizinische Überversorgung in Kanada

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