Ärztestopp: Mehr Macht den Kantonen

Hat das notorische Provisorium des Ärztestopps bald ein Ende? Geht es nach der Gesundheitskommission des Nationalrats, dann Ja.

, 26. Oktober 2018 um 20:30
image
  • politik
  • ärztestopp
Das Communiqué spricht nur am Rande davon: Unter «Weitere Geschäfte» schreibt die nationalrätliche Sozial- und Gesundheitskommission (SGK) in ihrer Mitteilung: «Ein neues Register soll mehr Transparenz schaffen über die ambulant tätigen Leistungserbringer, die zulasten der Grundversicherung abrechnen dürfen». Es war dies ein Antrag, der am Freitag von der SGK einstimmig gutgeheissen wurde.
Ebenfalls nur am Rande vermerkt war die Mitteilung, dass das Geschäft des Bundesrats mit dem sperrigen Titel «KVG. Zulassung von Leistungserbringern» von der Kommission überaus deutlich mit 16 zu 4 Stimmen verabschiedet wurde. Zulassung von Leistungserbringern wird manchem nicht viel sagen. Bekannter, da emotionaler, ist die Bezeichnung Ärztestopp.

Kantone statt Bund

Genau darum geht es bei dieser Gesetzesvorlage, die nun das notorische Provisorium des Ärztestopps ersetzen soll. Im wesentlichen geht es darum, dass nicht mehr der Bund, sondern die Kantone für die Zulassungsbeschränkungen zuständig sein sollen.
Insbesondere die Krankenversicherer haben sich bisher gegen diese «Machtverschiebung» gewehrt, da die Kantone im Gesundheitswesen eh schon zu viel Macht hätten. 
Die Krankenkassen hätten es lieber gesehen, wenn sie das ambulante Leistungsangebot steuern könnten, da sie schon den Vertragszwang zu akzeptieren haben. Immerhin sollen nun die Kantone die Möglichkeit erhalten, den umstrittenen Vertragszwang zu lockern.
Dass nun die SGK mit all ihren Krankenkassen-Lobbyisten dennoch einlenkt, ist strategischer Natur. Sie verlangen im Gegenzug von den Kantonen, dass sie sich an den ambulanten Kosten beteiligen, wie sie das bei den stationären auch tun. Das Stichwort dazu heisst Efas, einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen. Medinside berichtete
Wenn also die Kantone ihrerseits ebenfalls die ambulanten Leistungen mitfinanzieren müssen, haben sie alles Interesse daran, ein Überangebot ambulanter Leistungen zu verhindern. 

Santésuisse zeigt sich befriedigt

Der Krankenversicherungsverband Santésuisse zeigte sich befriedigt über den Entscheid der Gesundheitskommission, zumal sie gegenüber dem Vorschlag des Bundesrats «wichtige und notwendige Korrekturen» vorgenommen hat.
«Wenn die Kantone A sagen, indem sie die Verantwortung für die Zulassungssteuerung definitiv übernehmen wollen, müssen sie auch B sagen: Sie müssen die Zulassungsbegrenzung tatsächlich umsetzen und konsequent einschreiten, wenn die Kosten in bestimmten Ärztekategorien übermässig zunehmen», schreibt Santésuisse. Beides sei bei den bisherigen Zulassungstopps nicht der Fall gewesen.
Da sich die Patienten schon lange nicht mehr an die Kantonsgrenzen hielten, so Santésuisse weiter, seien eine einheitliche Praxis und eine bessere Koordination der Kantone unabdingbar. «Mit den Entscheiden der Gesundheitskommission ist eine Umsetzung des Zulassungsstopps durch die Kantone nach Gutdünken, wie es bis anhin der Fall war, nicht mehr möglich.»

Höhere Franchise brächte Einsparung von 430 Millionen

Während die Sozial- und Gesundheitskommission (SGK) des Nationalrats das Thema der Zulassungsbeschränkung in ihrer Medienmitteilung nur am Rande erwähnt, berichtet sich ausführlich über ihren knappen Entscheid, die ordentliche Franchise von 300 auf 500 Franken zu erhöhen. Ein Entscheid, der jeden einzelnen Versicherten unmittelbar betrifft und daher von den Medien  entsprechend aufgegriffen werden dürfte.
Mit dieser Massnahme könnten die Prämien für sämtliche Versicherten um mindestens 430 Millionen Franken oder rund 1,7 Prozent gesenkt werden. Laut Communiqué der SKG würden damit «positive Anreize für ein kostenbewusstes Verhalten geschaffen und unnötige Spital- und Arztkonsultationen verhindert.»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Koordinierte Versorgung: Netzwerke sind vom Tisch

Der Ständerat beriet über das Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Er plädierte nun ebenfalls für Mengenrabatte bei umsatzstarken Medikamenten.

image

Spital Zofingen: Bundesrat findet Verkauf unproblematisch

SP-Nationalrat Cédric Wermuth warnte vor einer schleichenden Privatisierung der Grundversorgung – der Bundesrat sieht in der Übernahme des Spitals Zofingen durch SMN kein Problem.

image

BAG muss elf Millionen Franken sparen und 20 Stellen streichen

Das Bundesamt kürzt bei der Kinderarzneimittel-Datenbank, bei der Prävention und beim Strahlenschutz.

image

Kanton Bern hat neuen Leiter des Gesundheitsamtes

Der Regierungsrat des Kantons Bern hat Philipp Banz zum Nachfolger von Fritz Nyffenegger an der Spitze des Gesundheitsamtes ernannt.

image

Mehr kompetente Patienten, weniger Behandlungen

Eine Erklärung von Vertretern des Gesundheitswesens fordern einen stärkeren Fokus auf Patienten – statt auf Profit und möglichst viele Behandlungen.

image

Demo gegen die Mängel in der Gesundheitsversorgung

Mehr Ausbildungsplätze, weniger Bürokratie: FMH, Pharmasuisse, ChiroSuisse, SSO und GST legten in Bern einen gemeinsamen Forderungskatalog vor.

Vom gleichen Autor

image

Palliative Care: «Wir brauchen nicht mehr Betten in Spitälern, aber in Hospizen»

Renate Gurtner Vontobel, die ehemalige Geschäftsführerin von Palliative.ch, blickt auf ihre fünfeinhalbjährige Amtszeit zurück.

image

«Kritiker der Komplementärmedizin haben eine zu einseitige Sicht»

SP-Ständerätin Franziska Roth kritisiert im Interview die Haltung von Gegnern der Komplementärmedizin. Sie verkennen den Wert der ärztlichen Expertise.

image

Physiotherapie: Die Stolpersteine im Tarifstreit

Wie weiter im Tarifstreit in der Physiobranche? Die Frage ist: Welcher Streit – jener über die Tarifstruktur oder jener über den Preis?