Pflegepersonal aus Frankreich: Genf will sich zurückhalten

Der Kanton vereinbart dem Nachbarland, sich weniger eifrig um Gesundheitspersonal aus der Grenzregion zu bemühen.

, 4. November 2024 um 11:00
image
Landschaft in Hochsavoyen mit dem Lac d'Annecy: Wer hier pflegt, pflegt vor allem in der Schweiz  |  Bild: David Barros on Unsplash
Die Schweiz ist ein Problem für die Gesundheit der Grande Nation: Ihre Arbeitsbedingungen locken täglich tausende Fachleute aus dem Pflege- und Medizinbereich aus Frankreich über die Grenze. In Genf stammt etwa 70 Prozent des Pflegepersonals aus dem Ausland (zumeist als Grenzgänger), im Jura liegt die Quote bei knapp 60 Prozent und im Waadtland bei gut 50 Prozent.
Dies führt regelmässig zu Debatten und Demarchen. Auch beim letztjährigen Staatsbesuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Marcon war die «Flucht des Gesundheitspersonals» ein Thema.
Nun haben die Genfer Kantonsregierung, der Präfekt der Region Auvergne-Rhône-Alpes sowie die Kantonsspital-Gruppe HUG eine Absichtserklärung unterzeichnet, die den Konflikt dämpfen soll.
Die Hôpitaux universitaires de Genève verzichten schon seit Jahren darauf, proaktiv Personal aus der französischen Grenzregion anzuwerben. Nun sieht die «Lettre d'intention» obendrein vor, dass HUG so weit wie möglich («dans la mesure du possible») keine Angestellten bestimmter Spitalgruppen aus dem französischen Grenzraum engagiert. Konkret genannt werden die Groupements hospitaliers des Haute-Savoie Pays de Gex, des Léman Mont-Blanc und von Bresse Haut-Bugey.
Obendrein wird das HUG seine Temporärfirmen anhalten, dort keine Direktakquise mehr durchführen.

Krasse Verhältnisse

Im Schreiben werden auch alle anderen Spitäler und Gesundheitseinrichtungen im Grossraum Genf aufgefordert, so vorzugehen.
Allerdings: Einen Einstellungsstopp für Gesundheitspersonal aus Frankreich sieht das Papier nicht vor. Wer sich selber in Genf bewirbt, ist weiterhin willkommen. In dieser Woche sollen nun weitere Gespräche über die Gesundheits-Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der Schweiz in Genf stattfinden.
Wie krass die Verhältnisse sind, zeigte unlängst eine Erhebung des «Observatoire transfrontalier des professionnels de santé»: Im Département Ain arbeiten 12 Prozent der Pflegefachleute und 8 Prozent der ausgebildeten Pflegehelfer (aides-soignants) in der Schweiz. Im Département Haut-Savoie erreicht die Quote 50 und 30 Prozent. Und in gewissen Gegenden von Hochsavoyen gibt es Spitzenwerte von über 80 Prozent: Vier von fünf Pflege-Profis aus der Region fahren zur Arbeit über die Grenze. Diese Anteile haben sich in den vergangenen zehn Jahren in allen französischen Grenzregionen deutlich gesteigert.
Pflegepersonal: Protest gegen Rekrutierung aus armen Ländern. Mehrere Organisationen lancieren einen Aufruf. Die Schweiz verletze immer noch den WHO-Kodex für die Anwerbung von Gesundheitsfachleuten.

  • Abonnieren Sie den Medinside-Newsletter: 1 Klick, und Sie erfahren 2 mal pro Woche, was in der Branche läuft. Aus dem Gesundheitswesen, für die Gesundheitsprofis.

  • pflege
  • HUG
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Neue ambulante Plattformen: HUG reagiert auf steigende Patientenzahlen

Ein Zentraler Empfang, geteilte Behandlungsräume und modernisierte Plattformen: Das Universitätsspital Genf passt seine ambulanten Abläufe der steigenden Patientenzahl an.

image

Sektionen des Pflegefach-Berufsverbands lösen sich auf

Mit etwas Wehmut nehmen die bisherigen regionalen Sektionen des Berufsverbands Abschied. Ab nächstem Jahr gibt es nur noch eine gesamtschweizerische Organisation.

image

Ein Blutstropfen Hoffnung bei Alzheimer

Neue Bluttests könnten die Alzheimer-Diagnostik revolutionieren – früher, einfacher, präziser. Sie eröffnen Chancen, das Gesundheitssystem zu entlasten und geben Patient:innen und Ärzt:innen neue Hoffnung.

image

BFS: Zahl privater Spitex-Anbieter erreicht Rekordwert

Die Zahl privater Spitex-Anbieter erreichte 2024 einen neuen Höchststand: 844 gewinnorientierte Unternehmen leisten immer mehr Pflegestunden, während gemeinnützige Organisationen Marktanteile verlieren.

image

Lange Wartezeiten beim SIWF: Genfer Unispital findet Übergangslösung

Wegen dem Titelstau am SIWF schafft das HUG nun eine Übergangslösung: Wer den Antrag eingereicht hat, erhält vorübergehend Gehalts- und Vertragsbedingungen auf Titelniveau.

image

Pflegeinitiative: Politik bremst bei der Umsetzung – erst Kosten, dann Gesetz

Die Beratungen über das neue Pflegegesetz gehen in eine neue Runde: Die zuständige Nationalrats-Kommission will genauer wissen, was das kostet. — «Unfassbar!», kommentiert dies der Personalverband SBK.

Vom gleichen Autor

image

Mehr Pflegepersonal = weniger Ärzte-Burnout

Eine grosse Erhebung in sieben Ländern zeigt: Dort, wo Pflege stark vertreten ist und Arbeitsumgebungen stimmen, bleiben Ärztinnen und Ärzte länger im Beruf.

image

Notfall: Warum die Bagatellgebühr verpufft – und was stattdessen nötig wäre

Kurz vor der Nationalratsdebatte warnen die Notfallmediziner vor den «Bagatellgebühr»-Ideen. Sie schlagen vier konkrete Alternativen vor.

image

SMN: Nello Castelli wechselt zu Pharmasuisse

Der Generalsekretär von Swiss Medical Network wird Leiter Public Affairs beim Apothekerverband.