Wer heute wissen will, ob hinter Gedächtnisproblemen Alzheimer steckt, braucht Geduld – und starke Nerven. Bis zur Diagnose vergehen oft Monate. Es folgen Termine, Tests und Verfahren, die alles andere als angenehm sind: Liquorentnahmen, bei denen über eine feine Nadel im unteren Rücken Nervenflüssigkeit (CSF = cerebrospinal fluid) entnommen wird, um Proteine zu analysieren. Bildgebende Verfahren, die aufwendig und teuer sind, und meist nur in spezialisierten Zentren angeboten werden. Für viele Betroffene ist dieser Weg so belastend wie die Diagnose selbst – körperlich, psychisch und organisatorisch.
Doch ein medizinischer Wendepunkt zeichnet sich ab. Blut-basierte Biomarker, kurz BBBM, bringen die Alzheimer-Abklärung buchstäblich auf den Punkt: Eine einfache Blutprobe kann Ärztinnen und Ärzten helfen, Alzheimer mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschliessen – schnell, minimalinvasiv und wissenschaftlich fundiert. Was bislang invasiv und auf spezialisierte Zentren beschränkt war, wird mit Bluttests niedrigschwelliger – und lässt sich früher im Versorgungspfad einsetzen.
Alzheimer – eine stille Volkskrankheit
In der Schweiz leben rund 161 100 Menschen mit einer Demenz, etwa die Hälfte mit Alzheimer. Bis 2050 dürfte sich diese Zahl nahezu verdoppeln – vor allem, weil die Lebenserwartung steigt und die Gesellschaft durch den erhöhten Lebensstandard altert. Dadurch kommt das Demenzrisiko im hohen Alter stärker zum Tragen. Gleichzeitig bleibt mehr als die Hälfte aller Fälle unerkannt. Die Symptome beginnen schleichend und werden häufig als „normales Altern“ fehlgedeutet; in der Grundversorgung fehlen oft Zeitfenster und einfache Tools für eine frühe Abklärung, und Abklärungen durch Spezialisten sind begrenzt verfügbar. Die Folge sind späte Diagnosen, verpasste Chancen für eine gezielte Versorgung und eine hohe Belastung für Angehörige.
Krankheitsmodifizierende Therapien (disease-modifying therapies, DMTs) stehen derzeit im Fokus der Alzheimer-Forschung. Diese neuen Behandlungsansätze zielen darauf ab, krankheitsbedingte Prozesse – etwa amyloidbezogene Ablagerungen – zu bremsen. Ihr Nutzen hängt jedoch entscheidend davon ab, dass die Erkrankung früh erkannt wird. Dafür braucht es Diagnostik, die niedrigschwellig, präzise und breit zugänglich ist.
Ein Tropfen Blut statt Lumbalpunktion
Doch die Forschung bleibt nicht stehen – und genau hier setzt die neue Generation Bluttests an. Nach Jahren komplexer, invasiver Diagnostik rückt mit Elecsys® pTau181 erstmals eine Lösung in greifbare Nähe, die einfach, präzise und alltagstauglich ist. Der Test ist seit Juli 2025 als erster CE-zertifizierter Bluttest zur Ausschlussdiagnostik von Alzheimer-assoziierter Amyloid-Pathologie in Europa zugelassen und seit September auch in der Schweiz erhältlich. Er misst phosphoryliertes Tau (pTau181), ein Eiweiss, das bei Alzheimer vermehrt im Blut vorkommt, und macht die Abklärung einfacher zugänglich und weniger invasiv. In einer prospektiven Multicenter-Studie mit 787 Teilnehmenden erreichte der Test eine negative Vorhersagekraft von 93,8 % und eine Sensitivität von 83,6 % – bemerkenswerte Werte für ein minimalinvasives Verfahren.
Konkret bedeutet das: Fällt das Ergebnis negativ aus, ist Alzheimer als Ursache der Beschwerden sehr unwahrscheinlich. Für viele Patientinnen und Patienten kann das invasive und aufwendige Untersuchungen wie Liquoranalysen oder bildgebende Amyloid-Positronen-Emissions-Tomografie (PET)-Scans überflüssig machen – und wertvolle Zeit und Kosten bis zur Klarheit sparen.
Parallel entwickelt Roche mit pTau217 eine zweite Generation Bluttests, die künftig sowohl „rule-out“ als auch „rule-in“ leisten könnte – also nicht nur den Ausschluss, sondern auch den Hinweis auf eine Alzheimer-Erkrankung ermöglicht. Erste Daten zeigen eine hohe Stabilität und gute Skalierbarkeit – ein Ausblick auf eine Zukunft, in der Bluttests die Alzheimer-Diagnostik schrittweise erweitern könnten.
Weniger Belastung – mehr Klarheit
Der Nutzen dieser Diagnostik reicht weit über das Labor hinaus. Eine frühere und einfachere Abklärung entlastet Patientinnen und Patienten ebenso wie Ärzt:innen, Fachzentren und das Gesundheitssystem. Wenn weniger Menschen auf invasive Verfahren angewiesen sind, entstehen Kapazitäten – dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden: in Betreuung, Beratung und Therapie.
Gleichzeitig ermöglicht der Bluttest schnellere nächste Schritte: Ergebnisse liegen rasch vor, Abklärungswege werden übersichtlicher, und die Zuweisung zu weiterführenden Untersuchungen oder Angeboten gelingt gezielter. Das spart Zeit, reduziert unnötige Eingriffe und steuert Ressourcen dorthin, wo sie den grössten Nutzen bringen.
So schafft die neue Diagnostik nicht nur Effizienz, sondern auch praktische Handlungsfähigkeit im klinischen Alltag – für alle, die einen möglichen Alzheimer-Verdacht abklären oder behandeln.
Chancen, die Verantwortung brauchen
So vielversprechend der Fortschritt ist, so wichtig bleibt der verantwortungsvolle Umgang damit. Bluttests sind kein Ersatz für die fachärztliche Beurteilung (z. B. Neurologie, Memory Clinic, Neuropsychologie), sondern ein Werkzeug, das sie präziser und effizienter macht. Sie eröffnen neue Möglichkeiten – und fordern zugleich klare Leitplanken. Gerade weil die Tests niedrigschwellig und breit einsetzbar sind, braucht es Richtlinien, Schulungen und klinische Standards, damit sie dort eingesetzt werden, wo sie den grössten Nutzen bringen: bei Patientinnen und Patienten mit Symptomen, die frühzeitig abgeklärt werden sollten. Mehrere Expertinnen und Experten betonen, dass die Stärke dieser Innovation in der Kombination liegt – mit klinischer Untersuchung, neuropsychologischer Testung und, wenn nötig, einer Bestätigung durch CSF oder PET.
Roche arbeitet deshalb eng mit Fachgesellschaften, Patientenorganisationen und klinischen Partnern zusammen, um diese Standards gemeinsam weiterzuentwickeln. Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass Patientinnen und Patienten frühzeitig und sicher von diesen Tests profitieren können – in einem Rahmen, der wissenschaftlich fundiert, ethisch verantwortbar und für das Gesundheitssystem tragfähig ist.
Denn am Ende geht es um mehr als eine neue Technologie. Es geht um einen Wandel in der Versorgung – hin zu einer Diagnostik, die Menschen früher erreicht, Ärzte und Ärztinnen besser unterstützt und das System als Ganzes stärkt. Ein kleiner Test, der Grosses bewegen kann – ein Schritt zu einer Diagnostik, die früher erkennt, individueller begleitet und klare Wege aufzeigt.