Ein Heimbesuch – zehn Patienten – zehn Mal die Wegpauschale von 50 Franken: Das macht 500 Franken Wegkosten für eine Strecke von 40 Minuten. Über solche Rechnungen einer Firma, die Heimärzte beschäftigt, berichtete die Sendung
«Kassensturz».
Ins Rollen gebracht hat den Fall die Tochter eines Heimbewohners des Altersheims Vivale Neuhegi in Winterthur. Ihr fiel auf, dass ihrem Vater auf der Abrechnung für die Krankenkasse bei jeder Konsultation eine Wegpauschale von rund 50 Franken verrechnet wurde. Sie hegte den Verdacht, dass die Pauschale jedem Patienten verrechnet werde, der an diesem Tag in diesem Heim besucht worden ist.
Für die ärztliche Versorgung in diesem Heim ist die Firma Emeda zuständig. Das Brüttiseller Unternehmen beschäftigt mobile Haus- und Heimärzte für die Versorgung von etwa 20 Pflegezentren in den Kantonen Zürich, St. Gallen, Thurgau, Solothurn und Aargau. Damit soll die medizinische Betreuung der Heimbewohner einfacher werden.
Nun zeigt sich, dass nicht nur die Betreuung einfacher ist, sondern auch die Wegentschädigung lukrativer wird. Als die Krankenkassen CSS und Helsana aufgrund des «Kassensturz»-Hinweises die entsprechenden Rechnungen der Emeda untersuchten, kam heraus: Allein bei diesen beiden Kassen kommen für einzelne Heimbesuche von Emeda-Personal regelmässig Wegentschädigungen von 60 bis 90 Minuten zusammen. Dies, obwohl das medizinische Personal im Altersheim nur den kurzen Weg zwischen den Zimmern zurücklegt.
Zwölf Stunden Weg – für einen Besuch
Die zuständigen Fachleute der CSS und der Helsana gehen davon aus, dass Emeda auf alle Krankenkassen hochgerechnet pro Heimbesuch etwa drei bis viereinhalb Stunden für den Weg verrechnet. In einem Fall vom November 2022 gehen die Fachleute sogar davon aus, dass etwa zwölf Stunden verrechnet worden seien. Das würde Wegkosten von 2000 Franken für einen einzigen Heimbesuch entsprechen. In Wirklichkeit dauert der Weg zwischen dem Emeda-Sitz und dem Heim für die Hin- und Rückfahrt 40 Minuten, was eine Entschädigung von 132.50 Franken rechtfertigen würde.
Die beiden Krankenkassen gehen davon, aus dass die Firma pro Jahr rund eine halbe Million Franken an Wegentschädigungen verrechnet hat – ein Teil davon unrechtmässig.
Emeda reagiert
Emeda betont, dass sie bei Heimbesuchen die Wegentschädigung gemäss Tarmed-Tarif abrechne. Dieser sieht vor, dass dem ersten besuchten Patienten die komplette Anreisezeit und dem letzten besuchten Patienten die volle Rückreisezeit sowie allen dazwischen liegenden Patienten mindestens 5 Minuten Wechselzeit verrechnet wird.
Konkret verrechnete Emeda die aufgewendete Zeit anteilsmässig auf alle besuchten Patienten. Dabei arbeitete das Unternehmen mit Erfahrungswerten, statt die für jedes Alters- und Pflegeheim unterschiedlichen Wegzeiten jedes Mal neu zu berechnen. Dies konnte dazu führen, dass in gewissen Fällen zu viel, in anderen Fällen aber auch zu wenig Wegzeit verrechnet wurde.
«Es liegt uns fern, durch die Verrechnung von Wegzeiten Mehreinnahmen zu erwirtschaften.»
«Wie auch der Bericht des ‹Kassensturzes› zeigt, konnte dies zu Ausreissern nach oben führen», schreibt das Unternehmen. «Umgekehrt gab es aber auch Ausreisser nach unten, bei denen die verrechnete Wegzeit deutlich unter den definierten Erfahrungswerten lag und somit den Patienten zu tiefen Kosten verrechnet wurden.»
Es liege Emeda fern, durch die Verrechnung von Wegzeiten Mehreinnahmen zu erwirtschaften.
«Unabhängig von den Recherchen des Kassensturzes haben wir das bisherige Vorgehen bei der Verrechnung der Wegzeiten überarbeitet und die bisherigen Mängel behoben, womit Ausreisser künftig vermieden werden», sagt ein Unternehmenssprecher. «Diese Verrechnungsweise haben wir auch mit den grossen Krankenversicherern besprochen und abgestimmt.»
Die Helsana bestätigte, auch dem «Kassensturz», dass das Unternehmen ein zusätzliches manuelles Controlling der Abrechnungen eingeführt habe, bei dem die effektive Wegzeit mit der verrechneten Wegentschädigung abgeglichen werde. Die Höhe der Wegentschädigungen sei seither zurückgegangen.