Gewalt im Spital: In Italien ruft man schon nach dem Militär

Auch im Nachbarland werden die Attacken aufs Gesundheitspersonal zum Politikum. Ein Spitaldirektor stellt klar: Entweder es geschieht etwas – oder der Notfall wird geschlossen.

, 12. September 2024 um 06:00
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Ein Team des Spitals in Foggia verschanzt sich vor den Angreifern |  Screenshot eines geposteten Handy-Films
Mehr Gewalt gegen das Gesundheitspersonal: Dies ist inzwischen auch in der Schweiz zu einem wiederkehrenden Thema geworden. Und in Deutschland fordern die Kassenärzte deshalb bereits Gesetzes-Verschärfungen. Die nächste Stufe zeichnet sich indes in unserem südlichen Nachbarland ab: In Italien fordern Pfleger und Ärzte, dass Polizei oder sogar Militär in den Spitälern postiert wird.
Auslöser war eine eher zufällige Häufung. Im Ospedale Policlinico Riuniti von Foggia kam es gleich zu drei Gewalttaten gegen Pflege-, Medizin- und Wach-Personal. Der erste und schwerste Fall geschah, nachdem eine 23jährige Frau bei einem thoraxchirurgischen Eingriff gestorben war. In der Nacht auf Montag stürmten gegen 50 Angehörige der jungen Frau das Spital und attackierten Angestellte. Drei Ärzte wurden verletzt, andere mussten sich buchstäblich verschanzen.
Wenige Stunden später schlug ein 18-jähriger Patient im selben Haus drei Pflegerinnen. Und am Nachmittag des gleichen Montags verletzte der Sohn eines wartenden Notfall-Patienten zwei Pflegefachleute und einen Wachmann.
Tags darauf berief die Direktion der Spitalgruppe eine Pressekonferenz ein und drohte: «So machen wir Schluss.» Wenn es so weitergehe, werde man gezwungen sein, die Notfallaufnahme zu schliessen – ganz einfach, «weil wir ohne Ärzte, Pflegern und Gesundheitspersonal dastehen.»
Wobei Direktor Giuseppe Pasqualone zugleich betonte: «Diese Aggressionen sind ein Phänomen, das ganz Italien betrifft. Wir sind kein Sonderfall.»

«Vergogna delle vergogne»

Tatsächlich vermeldet das Gesundheitsministerium in Rom, dass letztes Jahr gut 16’000 Angriffe auf medizinisches Personal stattfanden. Und prompt kamen dieser Tage gleich weitere neue Fälle an die Öffentlichkeit, etwa jener des Urologen, der am Dienstag im Francesco-Ferrari-Spital in Casarano per Fusstritt verletzt wurde.
Vertreter der Angestellten-Verbände machten in den Medien deutlich, dass sich die Lage in den letzten Monaten verschärft habe. Die Präsidentin des Pflegepersonal-Verbandes,  Barbara Mangiacavalli, stellte fest, dass der Rückhalt durch die staatlichen Gewalten nicht mehr genüge – und verlangte, dass Polizei und sogar das Militär Präsenz zeige in den Spitälern. Ärzte-Vertreter stiessen ins gleiche Horn.
Deutlich wurde denn auch Gesundheitsminister Orazio Schillaci in Rom – und sprach von der «vergogna delle vergogne»: «Was den Beschäftigten im Gesundheitswesen passiert, ist beschämend. Diese ständigen Angriffe sind wirklich inakzeptabel. Die Schande der Schande ist aber, dass 70 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen, die angegriffen werden – auch verbal –, Frauen sind. Es ist inakzeptabel.»
Besonders ärgerlich dürften Schillaci die Ereignisse erscheinen, weil er just in diesen Tagen unterm Titel  eine Kampagne lanciert hatte, um mehr junge Leute für die Notfallmedizin zu gewinnen: #noisalviamovite, so der Titel.
Der Verband der Spitalärzte plant nun für den 16. September einen Ausstand und Protestkundgebungen gegen die Gewalt.
  • «Die Anspruchshaltung ist spürbar gestiegen»: Adrian Kaegi, ehemaliger Staatsanwalt, über gewaltsame Patienten.
  • «Gewalt findet oft unter dem Radar statt». Verbale und körperliche Gewalt in Spitälern nimmt weiter zu. Zahlen werden jedoch kaum erfasst.
  • «Das Spital wird als rechtsfreier Raum wahrgenommen». Ein Interview mit Pflegefachmann und Aggressions-Trainer Stefan Reinhardt.

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