Das Freiburger Spital (HFR) hat einen Volksglauben wissenschaftlich hinterfragt. Und zwar einen Glauben, der im Kanton Freiburg sehr weit verbreitet ist: Das Gesundbeten. Der Pflegeexperte (APN) Charlie Ferry wollte wissen: Lässt sich die Wirkung von Heilsprüchen bei einer Herzkatheteruntersuchung nachweisen oder nicht?
Drei von vier glauben an Heilsprüche
Es zeigte sich Erstaunliches: Von den 200 untersuchten Patienten und Patientinnen waren 76 Prozent der Ansicht, dass ein Heilspruch die Blutung während ihrer Herzkatheteruntersuchung wirksam verringern oder gar stoppen könne.
Nach den ersten 20 Personen liess sich bei der Studie tatsächlich die Tendenz feststellen, dass der Heilspruch die Blutung stoppt. «Aber mit steigender Anzahl Patienten hat sich die Situation umgekehrt.
Nicht generell unnütz, nur in diesem Fall
Die Schlussfolgerung ist, dass bei dieser Untersuchung und diesen Patienten zu diesem bestimmten Zeitpunkt der Heilspruch keine Auswirkung auf die Blutung hatte», erklärte Charlie Ferry. Er betont: Die Studie sage nichts darüber aus, ob Heilsprüche tatsächlich wirken oder nicht.
Charly Ferry ging bei seiner Untersuchung streng wissenschaftlich vor. Er führte mit den Probanden eine Doppelblindstudie durch und teilte die Patienten in zwei Gruppen auf. Bei der einen Gruppe sprach ein Heiler einen Heilspruch und bei der anderen nicht. Weder die Patienten noch das Pflegepersonal wussten, wer welcher Gruppe angehörte.
Mit Studie Preis gewonnen
Charlie Ferry arbeitet seit zehn Jahren als Pflegefachmann am Freiburger Spital. Um sich der Forschung zu widmen, bildete er sich zum spezialisierten Pflegeexperten weiter. Für seine Studie hat er auch einen Preis erhalten, den vom Spital zum ersten Mal verliehenen
Prix Pierre Canisius.Charlie Ferry (rechts) mit Chefarzt Moritz Tannast bei der Verleihung des Prix Pierre Canisius.
Die Gesundbeter – auch an Spitälern wichtig
Gesundbeten ist die Gabe, durch Beten zu heilen. Dabei handelt es sich um eine sehr alte Praxis. Mit Hilfe von Heilsprüchen und Segensformeln ermöglicht das Gesundbeten das Heilen oder Lindern einer Vielzahl von Krankheiten und Wunden wie Verbrennungen, Aphthen, Warzen, Angina und Kopfschmerzen sowie von gewissen psychischen Störungen.
In den Schweizer Heimen und Spitälern liegen zahlreiche Listen mit den Telefonnummern von Heilern auf, geordnet nach den Leiden, die sie behandeln können.
Beim Gesundbeten handelt es sich in erster Linie um einen Akt der Barmherzigkeit und Frömmigkeit, der gratis erbracht werden muss. Die seltenen Versuche, daraus Profit zu ziehen, lösen jeweils grosse Empörung aus.
Das Gesundbeten ist eine heute noch lebendige Tradition im Jura, in Freiburg, im Wallis, im Appenzell und in der Zentralschweiz. Sie wurde von der Schweiz auch ins
Inventar der lebendigen Traditionen aufgenommen.