Zürcher Forschende entdecken neues Virus in Schweizer Zecken

Erstmals wurde der Erreger in China nachgewiesen. Nun ist das sogenannte Alongshan-Virus in der Schweiz aufgetaucht. Ein Diagnosetest ist in Erarbeitung.

, 8. Dezember 2022 um 14:13
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Sie sind klein aber giftig: Zecken können zahlreiche Erreger übertragen. | Symbolbild Pixabay
Viren, Bakterien und Parasiten – Zecken können verschiedene Krankheitserreger übertragen. Von Bedeutung ist das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSMEV), das Entzündungen von Gehirn und Hirnhäuten verursachen kann, sowie Bakterien, die zur Infektionskrankheit Borreliose führen können.
Und die Liste der Erreger nimmt ständig zu, auch in der Schweiz: Forschende des Virologischen Instituts der Universität Zürich (UZH) haben nun erstmals das sogenannte Alongshan-Virus (ALSV) in Zecken in der Schweiz nachgewiesen.

Das unbekannte RNA-Virus

Das Alongshan-Virus, kurz ALS-Virus, gehört wie das FSME-Virus in die Familie der Flaviviren und wurde zum ersten Mal 2017 in China entdeckt. Mehrere Patientinnen und Patienten litten nach einem Zeckenstich an Fieber und Kopfschmerzen – den typischen Symptomen zu Beginn einer Infektion mit FSME-Viren.
Doch in keinem der Betroffenen konnten Antikörper gegen das Virus oder dessen Erbmaterial nachgewiesen werden. Stattdessen fanden die Forschenden ein bisher unbekanntes RNA-Virus: das ALS-Virus.

Forschende erstaunt

In zahlreichen Zeckenproben, die in den Jahren 2021 und 2022 in mehreren Regionen der Schweiz gesammelt wurden, fanden die Forschenden die vollständige Gensequenz von ALS-Viren.
«Erstaunt hat uns, dass wir ALS-Viren in den Zeckenproben weit häufiger nachweisen konnten als FSME-Viren», wird Cornel Fraefel, Direktor des Virologischen Instituts, in einer Mitteilung zitiert.
Da die Symptome einer Infektion mit ALS-Viren ähnlich sind wie bei einer Ansteckung mit FSME-Viren, könnte das Alongshan-Virus bereits relevant sein für die öffentliche Gesundheit in der Schweiz – wenn auch unerkannt.

Bluttest in Entwicklung

Im Unterschied zum FSME-Virus gibt es für das ALS-Virus derzeit weder eine Impfung noch ein Nachweisverfahren. «Nachdem wir das neue Virus identifiziert und die komplette virale Genomsequenz veröffentlicht haben, entwickelt unser Team nun einen serologischen Test, um ALS-Virusinfektionen in Patientenblut nachweisen zu können», so Fraefel.
In Zusammenarbeit mit dem Nationalen Referenzlabor für durch Zecken übertragene Krankheiten und dem Labor Spiez wollen die Forschenden nächstes Jahr die epidemiologische Situation von ALS-Viren in der Schweiz untersuchen.
Hier geht es zur Origninalpublikation.
  • forschung
  • universität zürich
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