Während viele Schweizer Spitäler über überlastete Notfallstationen klagen und die Politiker über Massnahmen zur Senkung sogenannter Bagatellfälle debattieren, sehen das Universitätsspital Basel und die Basler Regierung die Situation anders:
Leichte Fälle seien für das Notfallsystem nicht nur unvermeidbar, sondern notwendig, argumentiert das USB. Sie dienten nicht nur als Puffer bei Personalengpässen, sondern sind auch wichtig für die Ausbildung von Ärzten.
Das geht aus einem Antwortschreiben der Stadtbasler Regierung auf einen
Vorstoss von Grossrat Joël Thüring hervor. Der SVP-Vertreter hatte Massnahmen gegen überfüllte Notfallstationen und die Überbelastung des Spitalpersonals gefordert.
Doch die
Basler Regierung hält dagegen: Die leichten Fälle, medizinisch als ESI-Kategorien 4 und 5 klassifiziert, machten im Notfallzentrum des USB inzwischen nur noch rund ein Viertel der Fälle aus. Diese Zahl sei nicht weiter zu reduzieren, weil sie einen wichtigen Bestandteil des Notfallsystems bilde.
Manövriermasse
Gegenüber der
«Basler Zeitung» erklärte Roland Bingisser, Chefarzt des USB-Notfallzentrums, dass das System auf einen Mindestanteil an leichteren Fällen angewiesen sei: «25 Prozent leichtere Fälle sind der niedrigste Wert, den ein Notfallsystem tragen kann, weil diese nie sterben und deshalb im Wartezimmer bleiben können.» Bingisser sprach von einer Manövriermasse, «die es in jedem System braucht, um funktionieren zu können».
Diese Patientengruppe ermögliche eine flexible Steuerung der Notfallstation. Bei Personalengpässen, etwa während einer Grippe- oder Covidwelle, könne der Bereich für leichte Fälle «depriorisiert» werden, ohne dass lebensbedrohliche Notfälle gefährdet würden.
Ohne die wartenden Bagatellfälle wäre das System hingegen viel unberechenbarer, da die Patientenströme dann ausschliesslich von schwereren Fällen bestimmt würden.
Ausbildung
Neben der organisatorischen Rolle «spielen die leichten Fälle auch eine wesentliche Rolle in der Ausbildung angehender Ärzte», schreibt die Basler Regierung. Das USB habe einen Weiterbildungsauftrag und bilde jährlich rund 50 Assistenzärzte in Notfallmedizin aus – die meisten von ihnen mit dem Ziel der Hausarztmedizin.
«Um ihre praktischen Fähigkeiten zu entwickeln, müssen sie ein breites Spektrum von Fällen behandeln – dazu gehören auch kleinere Verletzungen und Erkrankungen.» Gerade im ambulanten Sektor gebe es bereits einen Mangel an chirurgischer Grundkompetenz, den es auszugleichen gilt.
Das Curriculum der Notfallmedizin sehe deshalb explizit die Behandlung von Bagatellfällen vor, weil dort grundlegende praktische Fertigkeiten wie Wundversorgung oder kleinere Eingriffe trainiert werden können.