Die steigende Lebenserwartung hat ihren Preis

Eine neue Studie verdeutlicht den erhöhten medizinischen Pflegebedarf vieler alter Menschen vor ihrem Tod. Es ist die erste Studie mit Aussagekraft für die gesamte Bevölkerung.

, 9. Mai 2023 um 11:37
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Sterben ist mit umfangreicher medizinischer Versorgung und Altenpflege verbunden. | Pixabay
Eine aktuelle Studie, durchgeführt von Marcus Ebeling vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung und seinen Kolleginnen, bringt folgende Erkenntnis ans Licht: Im Jahr vor ihrem Tod benötigen viele alte Menschen intensive Pflege. Das legt die Hypothese nahe, dass die steigende Lebenserwartung gerade in höheren Altersstufen teilweise auf einen verlängerten Sterbeprozess zurückzuführen ist. Oder anders ausgedrückt: Die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung hat demnach auch ihren Preis.
Die Forschenden aus Deutschland und Schweden verknüpften Daten aus schwedischen Registern und untersuchten das letzte Lebensjahr von Menschen über 70 Jahren. Dabei identifizierten sie sechs verschiedene Verlaufsarten bis zum Tod, je nachdem, welcher Grad an medizinischer Versorgung und Altenpflege benötigt wurde.

Sterben ist eine Belastung für das Gesundheitssystem

Die Ergebnisse zeigen: Die Mehrheit der älteren Menschen in Schweden ist im letzten Lebensjahr auf Langzeitpflege angewiesen ist. Besonders auffällig war der erhöhte Pflege- und Versorgungsbedarf bei Todesfällen über 83 Jahren, was etwa der durchschnittlichen Lebenserwartung in Schweden entspricht. Diese Art des Sterbeverlaufs stellt den Forschenden zufolge eine grosse Belastung für das Gesundheitssystem dar.
Die Studie von Ebeling und seinem Team ist eine der ersten, die eine umfassende Datenbasis für die gesamte Bevölkerung abdeckt. Bisherige Studien haben sich hauptsächlich auf Teilaspekte der Gesundheitsversorgung vor dem Tod oder das soziale Umfeld der Sterbenden konzentriert und basierten auf kleineren Datenstichproben. Durch den inklusiven Ansatz der aktuellen Studie lassen sich direkte Zusammenhänge zwischen verschiedenen Sterbeverläufen, dem Sterbealter und der Mortalität in der Gesamtbevölkerung ziehen.

Soll Debatte anstossen

Die Erkenntnisse der im Fachmagazin «American Journal of Public Health» publizierten Studie liefern gemäss Ebeling eine Grundlage für eine dringend benötigte Debatte über die Bedeutung des Todes und ein «gutes» Sterben in einer alternden Gesellschaft. Es sei wichtig, das Lebensende zu verstehen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen, um den Bedürfnissen alter Menschen gerecht zu werden und ihre Lebensqualität zu verbessern.

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