Universitätsspital hätte Mann sterben lassen sollen

Eine Witwe verklagt das Universitätsspital Lausanne: Die Ärzte hätten die Patientenverfügung ihres Ehemannes nicht respektiert, so der Vorwurf.

, 21. Juni 2021 um 05:26
image
  • spital
  • universitätsspital lausanne
  • patientenverfügung
Nach Herzproblemen und einer Routine-OP war es bei einem Mann im Unispital Lausanne (CHUV) zu Komplikationen gekommen. Der Patient musste danach am offenen Herzen operiert werden. Und infolge eines Herzstillstands reanimierten ihn die Ärzte auch. Der 74-Jährige lag anschliessend fünf Wochen lang im Koma, dem Tod immer ganz nahe.
Ein Monat später wachte er auf. Der Mann war wütend und riss alle Schläuche aus. Dies, weil das Spital seine Patientenverfügung nicht respektiert haben soll, wie die Zeitung «24 heures» berichtet. Denn in der Verfügung stand, dass er bei Komplikationen keine Wiederbelebung wünsche. 
Auch seine Ehefrau habe die Ärzte an den Wunsch ihres Mannes erinnert. «Es gab mehrere Momente, in denen mir gesagt wurde, dass er die Nacht nicht überleben würde», sagte sie der Zeitung. Sie habe die Wünsche ihres Mannes wiederholt, aber nur gegen eine Wand geredet. «Ich glaube, das Spital wollte um jeden Preis wieder gutmachen, was während der Operation passiert war.»

Der Mann ging dann zu Exit 

Für den Mann, der zeitlebens äusserst aktiv gewesen ist, war die grösste Angst, bettlägerig zu werden – was nun eingetreten war. «Sobald er ein wenig sprechen konnte, sagte er, er wolle gehen, um es hinter sich zu bringen», zitiert «24 heures» seine Ehefrau. Er sei nicht glücklich darüber gewesen, dass man ihn nicht – wie in der Patientenverfügung gewünscht – hatte sterben lassen. 
Es folgte ein langer Leidensweg: Aufwendige Pflege, viele Medikamente, wenig wirksame Rehabilitationsversuche. Nach drei Monaten griff er dann verzweifelt auf die Sterbeorganisation Exit zurück, wie aus dem Bericht in der Tageszeitung weiter hervorgeht. 

Witwe will vor allem Antworten

Die Witwe kämpft nun mit einem Anwalt gegen das Vorgehen des CHUV. Sie klagt auf Schadenersatz. Vor allem aber verlangt sie gemäss Zeitung Antworten darauf, was wirklich passiert sei. Und warum die Wünsche ihres Mannes, die er gegenüber seinem Arzt geäussert habe, nicht respektiert wurden. 
Für den Anwalt «wirft dieser Fall die Frage nach dem internen Prozess auf, der von einem Spital wie dem CHUV angewendet wird.» Es sei inakzeptabel, sagt er gegenüber «24 heures». Die Abfassung einer Patientenverfügung hätte dem Mann ja gerade eine solche Tortur ersparen sollen.

Spital möchte einvernehmliche Lösung

Auf Nachfrage teilte das CHUV mit, dass es sich nicht zu Einzelfällen äussern könne. Man sei mit der Ehefrau des Patienten aber in Kontakt und habe ihr das Mitgefühl ausgesprochen. Das Universitätsspital Lausanne bedauere aufrichtig, dass dieses Paar eine solche Situation durchleben musste. Das Spital versichert gleichzeitig, dass es eine einvernehmliche Lösung anstreben werde, wenn es die Situation erlaube.

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Spital Samedan prüft Zusammenschluss mit Kantonsspital Graubünden

Die Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin untersucht zwei strategische Wege in eine nachhaltige Zukunft.

image

Kantonsspital Aarau: Mehr Betten im Neubau

Wegen einer «unverändert hohen Patientennachfrage» plant das KSA nun doch mehr Betten.

image

Hirslanden: Umbau an der Spitze – näher zu den Regionen

Hirslanden-Zürich-Direktor Marco Gugolz zieht als Regional Operations Executive in die Konzernleitung ein.

image

Was geschieht mit dem Spital Thusis?

Die Stiftung Gesundheit Mittelbünden sucht Wege aus der finanziellen Krise – beraten von PwC. Ein Entscheid soll im Herbst fallen.

image

CSEB: «Herausfordernd, aber zufriedenstellend»

Trotz roten Zahlen und leicht rückläufigen Patientenzahlen gibt sich das Center da sandà Engiadina Bassa optimistisch.

image

Spital STS: Hohe Patientenzahlen bewahren nicht vor Verlust

Sowohl stationär als auch ambulant gab es bei der Spitalgruppe Simmental-Thun-Saanenland 2023 einen Zuwachs.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.