Thierry Carrel: «Der Staat entzieht Verantwortung»

«Jedem Täli sein Spitäli» – das sei ein schlechter Gedanke. Der Insel-Herzchirurg äusserte sich kritisch zum staatlichen Fürsorge-Bedürfnis.

, 13. Januar 2016 um 14:56
image
  • kanton bern
  • thierry carrel
  • insel gruppe
  • politik
Zu viele Formulare, Vorschriften und Gesetze: Das moniert der bekannte Inselspital-Herzchirurg in einem Interview mit der «Berner Zeitung». Anlass sind die bernischen Regierungsratswahlen von Ende Februar – und dabei werden prominente Persönlichkeiten zur Frage eines Richtungswechsels befragt. 
Hintergrund: Thierry Carrel selber war im Nationalrats-Wahlkampf 2011 als Kandidat für die FDP angetreten. 
Im Gesundheitswesen des Kantons Bern, so der Insel-Chefarzt, seien die langen Wege immer ein Streitthema (daher der Spruch: «Jedem Täli sein Spitäli»). Für ihn aber sei die Zentralisierung von medizinischen Leistungen auf weniger, aber grössere Zentren wichtig. 

Lieber Kompetenz als Heimatnähe

Denn: «Bei schweren Erkrankungen ist nicht so sehr die heimatnahe Versorgung für das Überleben essenziell, sondern die Aufnahme in einem Kompetenzzentrum.»
Überhaupt sollten in vielen Bereichen – auch abseits des Gesundheitswesens – schwerfällige Abläufe verschlankt werden.

«Dem Bürger mehr Verantwortung»

Es gebe zu viele Formularen, Vorschriften und Gesetze in unserer Gesellschaft, so der Arzt mit liberalem Einschlag: «Manchmal habe ich das Gefühl, die wichtigste Aufgabe des Staates sei, den Bürger vor sich selber zu schützen.» 
Die Kernfrage des Interviews lautet: Braucht der Kanton eine bürgerliche Wende? Und Thierry Carrel scheint einem Ja zugeneigt: «Eine bürgerliche Wende nach meinem gesellschaftspolitischen Verständnis bedeutet, dem Bürger mehr Verantwortung zu geben», so die Antwort.
Natürlich könne auch die Medizin dazu etwas beitragen: «Dank der medizinischen Errungenschaften ein Leben in Gesundheit zu führen, ist auch ein Stück Freiheit. Am Ende ist es aber nicht das abstrakte Gesundheitswesen, sondern es sind die Menschen, die für diese Freiheit einstehen. Leider entzieht der Staat lieber dem Bürger seine Verantwortungen.»

  • «Der Staat entzieht Verantwortung», in: «Berner Zeitung», 13. Januar 2016

Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Monsieur Prix mag das Réseau de l’Arc

Preisüberwacher Stefan Meierhans schlägt vor, dass die Politik viel stärker auf grosse Gesundheitsnetze mit festen Budgets setzt.

image

Keine Zulassungserleichterung für Orphan Drugs

Eine schnellere Zulassung für Arzneimittel bei seltenen Krankheiten hätte laut dem Bundesrat hohe Kostenfolgen.

image

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun soll's der Bundesrat richten

Der Nationalrat verlangt, dass der Bundesrat in die Kompetenz der Kantone und der Tarifpartner eingreift.

image

Forschung muss Frauen und Alte mehr berücksichtigen

Der Bund regelt die Forschung an Menschen stärker. Künftig sollen mehr Frauen und Alte teilnehmen.

image

Braucht es ein Bundesgesetz über die Gesundheit?

Ja, findet die Akademie der Medizinischen Wissenschaften – und formuliert gleich einen Vorschlag: So sähen ihre Paragraphen aus.

image

Bei der Gesundheit gibt es keine Bundes-Subventionen zu kürzen

Die Eidgenössische Finanzkontrolle will bei den Subventionen sparen. Der Gesundheitsbereich wird aber vom Bund kaum subventioniert.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.