Rationiert das Bundesamt für Gesundheit Medikamente?

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) legt zunehmend ökonomische Kriterien bei der Behandlung mit Medikamenten an. Mit diesem Vorgehen greift das BAG immer mehr in die Therapiefreiheit der Ärzte ein.

, 8. Mai 2019 um 14:00
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Um den Kostenanstieg zu dämpfen, schränkt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Einsatz von neuen, aber teuren Medikamenten zunehmend ein. Dies zeigt das Beispiel einer Lungenkrebs-Patientin am Universitätsspital Basel (USB), das die Zeitungen von CH Media detailliert schildern.
Die Zahl jener Präparate, bei denen das BAG eine Kostengutsprache durch einen Krankenversicherer verlange, habe sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Auch Nachfragen bei Ärzten nach genauer Dosis oder dem Körpergewicht von Patienten seitens der Krankenkassen nähmen zu, sagt USB-Onkologe Frank Stenner der Zeitung.

Ungleichbehandlung der Patienten

Die Therapiedauer oder die Dosierung zu beschränken, sei aber nicht Aufgabe des Bundes, wird Yvonne Gilli von der Ärzteverbindung FMH im Bericht zitiert. Denn das Bundesamt könne das nicht beurteilen, dafür seien die behandelnden Mediziner zuständig.
«Es geht nicht an, dass der Bund die Kostenentwicklung über die Einschränkung der medizinischen Versorgung steuern will», sagt Gilli weiter. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung der Patienten aus ökonomischer Sicht. Denn die einzelnen Krankenkassen würden vergleichbare Fälle teilweise anders bewerten.

Hohe Preisforderungen der Pharma

Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht es aber nicht um eine «Rationierung», sondern um «eine rationale Vergütung von Arzneimitteln auf Basis des klinisch relevanten Nutzens», wie ein Sprecher gegenüber CH Media sagt. Angesichts der stetig steigenden Kosten gelte es genau festzulegen, unter welchen Bedingungen ein Arzneimittel vergütet werden könne.
Auf Grund der hohen Preisforderungen der Pharmaindustrie werde dies jedoch vermehrt zur Herausforderung, heisst es. «Sehr hochpreisige Arzneimittel können vermehrt nur noch jenen Patienten zur Verfügung gestellt werden, die einen grossen Nutzen davontragen», wird das BAG zitiert.

«Käme einer Rationierung gleich»

Für die beiden Rechtsexperten Bernhard Rütsche und Andreas Wildi sind Einschränkungen verfassungswidrig, die aus wirtschaftlichen Gründen zur Einhaltung von Kostengrenzen verfügt werden. 
Wenn mit derartigen Einschränkungen der Zugang von Patienten zu medizinisch sinnvollen Behandlungen versperrt werde, käme dies einer Rationierung gleich, sagen die beiden Juristen der Zeitung.
Und weiter: Für Medikamente in der Grundversicherung gebe es wie bei der obligatorischen Krankenversicherung keine absoluten Kostengrenzen. Damit seien Einschränkungen der Anwendung von Medikamenten zur Eindämmung der Kosten der Grundversicherung angreifbar. Um die Medikamentenkosten in Grenzen zu halten, habe das BAG den Hebel bei der Festsetzung der Medikamentenpreise anzusetzen, so die Rechtsexperten.
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