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Geben Sie Patienten eine Stimme mit PROMs

Patient Reported Outcome Measures (PROMs) schliessen eine wichtige Lücke

, 4. November 2019 um 09:40
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Gesundheitssysteme und -organisationen versuchen immer mehr klinische Grössen zu messen. Jedoch bilden diese Grössen in den seltensten Fällen die Informationen ab, die den Patienten am Herzen liegen. Der Patient fragt den Arzt selten, wie hoch die Rehospitalisierungsrate nach seiner Operation ist. Patienten haben viel praktischere Fragen, zum Beispiel zu ihrer Lebensqualität oder wie sehr ihre Diagnose ihr alltägliches Leben beeinflussen wird. Der folgende Artikel zeigt auf, wie PROMs diese Lücke füllen können.
Mit den heute zur Verfügung stehenden Leistungskennzahlen lässt sich nicht abbilden, wie zufrieden der Patient mit dem Behandlungsergebnis ist. Wenn wir beispielsweise Hüftgelenksersatzoperationen untersuchen, können wir lediglich feststellen, dass in den letzten 10 Jahren die Anzahl an Hüftgelenksersatzoperationen in den OECD Ländern kontinuierlich gestiegen sind. Dieser Trend trifft auch auf die Schweiz zu. Ob diese Eingriffe tatsächlich medizinisch induziert waren und ob durch die Behandlung der gewünschte Erfolg eingetreten ist, wissen wir nicht. Im Umkehrschluss lässt sich somit auch nicht nachweisen, ob wir das Geld an den richtigen Stellen ausgeben und inwiefern die stets steigenden Gesundheitskosten tatsächlich gerechtfertigt sind. Wir können einzig und allein die Tatsache beobachten, dass die Anzahl der Eingriffe und somit die Kosten steigen. Oder anders gesagt: Effizienz ist, die richtigen Dinge richtig zu tun – und das muss transparent gemacht werden.

Messen, worauf es wirklich ankommt

Aus Studien wissen wir, dass Ärzte und Patienten unterschiedliche Präferenzen haben. Während Patienten den Einfluss einer Krankheit auf ihre Lebensqualität höher gewichten als Symptoms- und Funktionsbelastungen, gehen Ärzte oft von der umgekehrten Annahme aus, nämlich dass die Lebensqualität weniger wichtig ist und die Behandlung der Symptome und Funktionen im Vordergrund steht. Die Haltung der Ärzte spiegelt sich in den aktuellen Messungen wider. Was wir heute erheben und messen (Sterblichkeitsraten, Verweildauer, Fallzahlen, Rehospitalisierung, Laborwerte oder andere Prozessgrössen), bildet vorwiegend die Präferenzen der Ärzte ab. Diese Messungen erfüllen ihren Zweck, aber sie lassen die Perspektive der Patienten aussen vor. Das heisst, wir messen heute nur einen bestimmten Teil der Versorgung. Ob ein Eingriff indiziert war und ob der gewünschte Behandlungserfolg eingetreten ist, können wir aus diesen Daten nicht herauslesen.
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Wenn wir ein Versorgungssystem anstreben wollen, in dem der Patient im Zentrum steht, müssen diesen Worten Taten folgen. Bezüglich der Outcome-Messung einer Behandlung (und einer darauf abgestimmten Vergütung) werden wir nur dann erfolgreich sein, wenn wir genau definieren können, was als gutes Ergebnis einer Behandlung gilt.

Was sind PROMs?

Das liest sich alles schön und gut. Aber lässt sich der individuelle Outcome einer Behandlung überhaupt quantifizieren? Viele Länder haben begonnen, ihre bestehenden Leistungskennzahlen um PROMs zu ergänzen, um genau diese Lücke zu füllen.
PROMs differenzieren sich von Zufriedenheitsbefragungen wie „Hat Ihnen das Essen geschmeckt?“ und „Haben Sie sich bei uns wohlgefühlt?“. Mit Hilfe von PROMs können die behandelnden Ärzte sehr spezifische, persönliche und individuelle Bedürfnisse und Bedenken der Patienten abholen und direkt darauf reagieren. Je nach Instrument werden diese Daten zu mehreren Zeitpunkten während der Behandlung erhoben. Dies kann bis zu 10 Jahren nach einer Operation andauern.
Das amerikanische National Quality Forum definiert Patient Reported Outcomes (PROs) als "jeder Zustandsbericht, der direkt vom Patienten kommt, ohne Interpretation der Patientenreaktion durch einen Arzt oder Dritte." Anders gesagt: PROs geben dem Patienten eine Stimme. Der Patient entscheidet zu jedem Zeitpunkt der Behandlung mit und kann mitteilen, was für ihn wichtig ist. 
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PROMs können generisch oder krankheitsspezifisch sein und auf ein bestimmtes Setting (Grundversorgung, Spital, Versorgung älterer Patienten) oder einen bestimmten Aspekt der Versorgung (Informationsfluss, Autonomie, Koordination, etc.) abzielen. Sie können dem individuellen Patienten-Management dienen oder als Grundlagen für bevölkerungsbezogene Versorgungsstrategien (population-based approach) verwendet werden.
Einige Beispiele von PROMs:
  • Messung der Lebensqualität
  • Symptombelastungen wie Schmerz oder Müdigkeit
  • Distress wie Depression und Angststörungen
  • Funktionsfähigkeit
  • Selbstberichteter Gesundheitszustand
PROMs sind nicht isoliert zu sehen, sie stehen immer in Ergänzung zu bereits bestehenden Indikatoren. Denn nur wenn wir alle Daten zusammenführen (klinische und nicht-klinische Kennzahlen), können wir vollständige Aussagen zum Erfolg einer Behandlung treffen.
Während die USA und einige europäische Länder bereits seit längerer Zeit mit PROMs arbeiten, wurden sie in der Schweiz bis dato eher zurückhaltend angewendet. Das ändert sich aber. Immer mehr Spitäler und auch Gesundheitsdirektionen haben Pilotprojekte lanciert. Im November 2019 wird auch die OECD in ihrem Health at a Glance die ersten Daten aus den Pilotorganisationen publizieren.  

Warum sich Spitäler und Regulatoren für PROMs interessieren sollten

Nach einer schweren Diagnose ist die Frage "Werde ich leben?" an erster Stelle für den Patienten. Bei der zweit-wichtigsten Frage “Wie wird mein Leben danach aussehen? Was kann ich noch machen?" sind Outcome-Messungen für die Lebensqualität aus Sicht des Patienten viel wichtiger als klinische Indikatoren. Wenn ein Patient mit der Diagnose Prostatakrebs weiss, dass es eine 50-prozentige Chance gibt, inkontinent zu werden oder eine 75-prozentige Chance auf Impotenz nach einer Operation, wird dies seinen Entscheidungsprozess beeinflussen. Selbst wenn Spital A und Spital B die Patienten am Leben erhalten können, wird der Patient das Spital wählen, das bemüht ist, eine hohe Lebensqualität zu erhalten und die Würde und Beziehungen des Patienten zu bewahren. Auch wenn diese Kennzahlen (noch) nicht in den traditionellen Gesundheitsmetriken aufgeführt werden, sind sie oft diejenigen, die dem Patienten am wichtigsten sind. Sie können zukünftig ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen guter und aussergewöhnlicher Versorgung werden.

Umsetzung PROMs Methodik

Die Einführung von PROMs stellen einen nicht zu unterschätzenden Aufwand dar. Damit die Einführung für alle beteiligten Stakeholder erfreulich verläuft, ist eine saubere Umsetzung wichtig. Deswegen empfiehlt Muller Healthcare Consulting ein Vorgehen in 5 Schritten. Es gibt verschiedene Motivationen für den Einsatz von PROMs, die sich unterschiedlich auf die Implementierung auswirken. Schritt 1 beleuchtet diese unterschiedlichen Motivationen und formuliert basierend darauf die möglichen Umsetzungsoptionen. Schritt 2 umfasst Entscheidungen über die Wahl des PROM-Tools und die Prozesse zur Erhebung, Verwaltung, Auswertung und zum Umgang mit den aus PROMs generierten Daten. Schritt 3 bereitet die Organisation auf die Erhebung vor. Für das involvierte Personal sowie die Patienten werden verschiedene Schulungen angeboten, Engagements Workshops durchgeführt, etc. Schritt 4 sieht Testphasen in ausgewählten Kliniken vor in denen der Erhebungsprozess optimiert wird. Schritt 5 stellt den Übergang der Erhebung von PROMs in den Klinikalltag dar. Damit können die Daten nun auf Institutionsebene erfasst werden. 
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Erfolgsfaktoren für eine Einführung

  • Ziel: Setzen Sie sich messbare Ziele.
  • Stakeholder Buy-In: Überzeugen Sie Ihre Kollegen und Vorgesetzten mit erfolgreichen Beispielen und Daten aus anderen Ländern/ Leistungserbringern.
  • Interdisziplinäres Team: Stellen Sie ein Team zusammen, dass die unterschiedlichen Teilaspekte für eine Einführung von PROMs umsetzen kann. Dies inkludiert u.a. Fachwissen in den medizinischen, technologischen und analytischen Bereichen.
  • Plattform für die Erhebung: Wählen Sie eine passende Technologieplattform.
  • Wahl des PROMs Instruments: Nutzen Sie bestehende Tools. Schliessen Sie sich an ein bestehendes Konsortium an, sodass Sie Ihre Daten benchmarken können.
  • Prozess Design: Beachten Sie die kurz- und langfristigen Erhebungsmodalitäten (App, E-Mail, Papier, etc.) und welche Implikationen diese auf die Erhebung haben. Sorgen Sie dafür, dass die IT einwandfrei funktioniert.
Das Fachgebiet der PROMs ist im Gesundheitssystem eine relativ junge Disziplin. Skeptiker argumentieren berechtigterweise, dass es noch zu wenige Daten gibt, die tatsächlich belegen, dass PROMs die versprochenen Ergebnisse liefern. Allerdings bleibt anzumerken, dass wir mit den heute zur Verfügung stehenden Daten im Dunkeln tappen was die Wirksamkeit und die Qualität der Versorgung betrifft und angesichts des wachsenden gesundheitspolitischen Drucks neue Wege beschreiten müssen, wenn wir uns weiterentwickeln wollen. Ganz nach Einsteins Mantra – Wahnsinn ist, wenn man immer wieder das Gleiche tut, aber andere Resultate erwartet.

Über Muller Healthcare Consulting

Die Beratungsgesellschaft Muller Healthcare Consulting GmbH wurde 2014 von François Muller gegründet. Das Unternehmen mit Büros in der Schweiz und in Luxemburg bietet Institutionen des Gesundheitswesens Beratungsdienstleistungen an. Muller Healthcare Consulting verfügt über eine Expertise in der Optimierung klinischer und nicht-klinischer Prozesse, in der Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen sowie in gesundheitsökonomischen Fragestellungen. Muller Healthcare Consulting unterstützt Spitäler, Psychiatrien, Pflegeheime und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen, aber auch Regierungen in Strategie-, Prozess- und Organisationsfragen.
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