«Mörderin der Landspitäler» sei sie schon genannt worden, erzählte Annamaria Müller vor acht Jahren der «Berner Zeitung». Die damalige Leiterin des Spitalamts des Kantons Bern nahm solche Vorwürfe einigermassen gelassen: «Die Dinge sind, wie sie sind: Es ist damit zu rechnen, dass weitere kleinere Standorte geschlossen oder umfunktioniert werden müssen.»
Auch bei ihrer neuen Mission – sie ist seit Anfang Jahr Präsidentin des Freiburger Spitals (HFR) – wird Annamaria Müller eine dicke Haut haben müssen. Denn an der Strategie des HFR gibt es nichts zu deuten: Es wird künftig nur noch ein grosses Zentrumsspital in Freiburg und daneben kleinere Gesundheitszentren in den Bezirken geben, wie Medinside
hier berichtete.
Nicht für jedes «Bräschte» ins Spital
Diese Umgestaltung der Freiburger Spitallandschaft entspreche absolut auch ihrer Vision, bekräftigte sie kürzlich in einem Interview mit Radio SRF. Vor Spitalschliessungen scheut sie nicht zurück: «Denn die Gesundheitsversorgung der Leute passiert nicht in den Spitälern, sondern dort, wo der Mensch wohnt», sagte sie und fügte hinzu: «Man muss nicht für jedes <Bräschte> ins Spital, sondern man muss vor allem vor Ort die Versorgung finden, die man gerade braucht.»
Schon während ihrer zehnjährigen Amtszeit im Kanton Bern setzte die Wirtschaftswissenschaftlerin Annamaria Müller vor allem auf Gesundheitszentren, also auf ambulante Einrichtungen mit Hausärzten, oder auf Einrichtungen mit einer starken Spezialisierung auf wenige Bereiche.
«Tante-Emma-Spitäler» haben ausgedient
«Auf jeden Fall läuft die Zeit der kleinen <Tante-Emma-Spitäler>, die das ganze Sortiment führen, ab», sagte sie schon vor acht Jahren. Und auch schon damals stellte sie fest: «Der Kostendruck ist nur ein Grund dafür. Fast noch stärker wird sich die Personalknappheit auswirken: Es dürfte den Spitälern zunehmend schwerfallen, für abgelegene und nicht spezialisierte Standorte Fachpersonal zu finden.»
Sie bekam recht: So musste das Spital Merlach kürzlich vorübergehend seine Geriatrie-Abteilung schliessen. Und zwar nicht aus Spargründen, sondern weil schlicht die nötigen Ärzte fehlen.
Heute muss man fragen: Wie schnell ist die Ambulanz bei mir?
Genau wie in Bern wird Annamarie Müller nun in Freiburg für Verständnis für ihre Massnahmen werben müssen. Damals sagte sie, man müsse der Bevölkerung erklären, dass es keine Katastrophe sei, wenn es im Kanton Bern noch halb so viele Spitäler gebe. Es sei gar nicht mehr nötig, so viele Spitäler zu haben.
Denn: Einerseits erlaube der Fortschritt der Medizin, vieles ambulant vor Ort zu behandeln, was früher nur stationär im Spital möglich war. Andererseits seien Ambulanzfahrzeuge heute «fahrende Minikliniken». Die wichtige Frage sei deshalb nicht mehr: Wie rasch erreiche ich das nächste Spital? Sondern: Wie lange dauert es, bis die Ambulanz bei mir ist?
Deutsche Spitäler würden besser, wenn es weniger wären
Nicht nur in Freiburg und in Bern werden harte Diskussionen um die Schliessung von Spitälern geführt. Auch in anderen Kantonen ist die Strategie ähnlich: Spitäler werden zentralisiert, zusammengelegt oder geschlossen. Gleichzeitig werden sie durch neue ambulante Einrichtungen ersetzt.
Dass dies nicht verzweifelte Sparmassnahmen, sondern durchaus vernünftige Strategien sein können, zeigt
eine Studie der Bertelsmann-Stiftung in Deutschland: Eine starke Verringerung der Zahl der deutschen Spitäler von rund 1400 auf deutlich unter 600, würde die Qualität der Versorgung für Patienten verbessern und bestehende Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal mildern, kam die Studie zum Schluss.
Besser etwas längere Wege als schlecht ausgestattete Spitäler
In Deutschland sind viele Spitäler zu klein und haben nicht die nötige Ausstattung oder das nötige Personal für die angemessene Behandlung von lebensbedrohlichen Notfällen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen.
«Wenn ein Schlaganfallpatient die nächstgelegene Klinik nach 30 Minuten erreicht, dort aber keinen entsprechend qualifizierten Arzt und nicht die medizinisch notwendige Fachabteilung vorfindet, wäre er sicher lieber ein paar Minuten länger zu einer gut ausgestatteten Klinik gefahren worden», kommentierte eine Sprecherin der Stiftung die Resultate der Studie.
Dänemark hat bereits drastisch reduziert
Vorbild für andere Länder könnte Dänemark sein. Dort hat die radikale Verringerung der stationären Spitalangebote und die gleichzeitige Spezialisierung der Angebote die Behandlungsqualität erhöht. Es gibt dort nur noch 16 «Super-Hospitals», ergänzt von ambulanten Angeboten für kleine bis mittelschwere Erkrankungen. Zum Vergleich: Die Schweiz leistet sich derzeit noch über 250 Spitäler.