Krankenkassen – neue Kunden werden teurer
Wir bekommen tatsächlich weniger Werbeanrufe für Krankenkassen, Zeitungsabos oder Weindegustationen als früher. Grund ist eine Branchenvereinbarung der Krankenkassen, die aber auch unerwünschte Nebenwirkungen hat und die Kundenwerbung insgesamt teurer macht.
, 15. Februar 2022 um 14:54Telefonterror und dubiose Versicherungsvermittler
Eine Branchenvereinbarung mit unerwünschten Nebenwirkungen
- Der Telefonterror hat signifikant abgenommen, aber nicht bloss, weil die Branchenvereinbarung die telefonische Kaltakquise verbietet, sondern weil das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dies seit dem 1.1.21 faktisch auch tut. Wenn eine Branche verspricht, sich mit einer Branchenvereinbarung an geltendes Recht zu halten, ist das doch ziemlich eigenartig.
- Qualität der Versicherungsvermittlertätigkeit: Die Beratungsqualität – ebenfalls ein Ziel der Branchenvereinbarung – wird schon durch die Finma-Akkreditierung der Vermittler und die vom Parlament noch nicht verabschiedete Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) verbessert. Auch hier verspricht die Branchenvereinbarung nicht mehr als das geltende Recht. Die Finma müsste aber endlich dubiose Vermittler rascher und konsequenter aus dem Verkehr ziehen. Das würde auch präventiv besser wirken als die Bussen, welche die von den beiden Krankenkassenverbänden eingesetzte Aufsichtskommission zur Überwachung der Branchenvereinbarung fehlbaren Krankenversicherern aufbrummen kann und schlussendlich von den Konsumenten bezahlt werden.
- Maximale Provisionen: Die Branchenvereinbarung regelt nur die Tätigkeit von Versicherungsvermittlern, die zwar im Auftrag der Versicherer arbeiten, aber nicht Angestellte der Versicherer sind. Das ist der sogenannte externe Vertrieb. Von den Kassen angestellte Versicherungsvermittler – der interne Vertrieb – müssen sich nicht an die Vereinbarung halten, auch nicht an die maximalen Provisionen von 70 Franken für jede Neukundin mit einer Grundversicherung bzw. einer Jahresprämie für jeden Neukunden mit einer Zusatzversicherung. Einzelne Krankenversicherer haben nun für viel Geld Vermittlerfirmen gekauft und entziehen sich so der Branchenvereinbarung und der Kontrolle durch die Aufsichtskommission. Und jeder Branchenkenner weiss, dass der externe Vertrieb kostengünstiger ist als der interne.
- Wettbewerbsvorteil für grosse Versicherer: Da die Branchenvereinbarung nur Abschlussprovisionen begrenzt und nicht die gesamten Akquisitionskosten von der Werbung bis zu den Vertragsabschlüssen, sind grosse Versicherer mit grossen Sponsoring-, Wettbewerbs- und Werbebudgets gegenüber kleinen Konkurrenten im Vorteil.
- Mehr teure Werbung mit Streuverlusten: Da die Branchenvereinbarung nur die Abschlussprovisionen an externe Vermittler deckelt und nicht die gesamten Akquisitionskosten regelt, reichen nun einzelne Kassen bei der Aufsichtskommission Branchenvereinbarung Beschwerden gegen Konkurrenten ein. Inzwischen hat die Aufsichtskommission entschieden, dass die Versicherer nur noch für Kontaktdaten eines potentiellen Kunden (Lead) bezahlen dürfen, wenn dieser einen Vertrag abschliesst. Sie hat aber nicht entschieden, ob das auch für Leads gilt, die via Sponsoring, Wettbewerbe oder Onlinewerbung (Google, Facebook etc.) beschafft werden. Comparis passt nun sein Vergütungssystem den Anforderungen der Branchenvereinbarung an und regelt Marketingdienstleistungen und die Leadvermittlung in separaten Verträgen mit den Versicherern.
- Aufsichtskommission grenzt Werbung von Vermittlung ab: Die Branchenvereinbarung und die Praxis der Aufsichtskommission wirft viele Fragen auf hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Marketing und Versicherungsvermittlung sowie zwischen der Kundenakquisition durch Dritte und derjenigen durch Angestellte der Versicherer. Insgesamt benachteiligt sie externe Versicherungsvermittler und verteuert die Kundenakquisition, was für grosse Versicherer gegenüber kleinen Konkurrenten ein Vorteil ist.
Ein Rahmengesetz mit unerwünschten Nebenwirkungen
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