«Im heutigen Modell können Psychiater bequem mitverdienen»

Der Systemwechsel vom Delegationsmodell zum Anordnungsmodell scheint die Branche in Aufruhr zu bringen. Jetzt schiessen die Psychologen gegen die Psychiater scharf zurück.

, 16. April 2019 um 10:49
image
Der seit langem schwelende Streit zwischen den Psychiatern und den Psychologen spitzt sich weiter zu. Grund ist der von Psychologen geforderte Systemwechsel: vom Modell der Delegation in Anstellung zum eigenständigen Anordnungsmodell, wie bei den Physiotherapeuten. Kurz: Die psychotherapeutische Behandlung soll nach ärztlicher Anordnung direkt über die Grundversicherung abgerechnet werden. 
Nach einem Gastkommentar von Erich Seifritz in der «Neuen Zürcher Zeitung» scheint der Streit nun öffentlich ausgebrochen zu sein. In der NZZ und auch in der Ärztezeitung warnte der Präsident der Psychiatrischen Chefärzte (SVPC) vor einer Kostenexplosion durch Mengenausweitung, schlechterer Behandlungsqualität. Und er sieht die psychotherapeutische Versorgung in Gefahr. Auch Medinside hat darüber berichtet.

«Seinen eigenen Garten schützen»

Für Jérôme Endrass kommt es vor, als wolle Seifritz, der auch als Chefarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich arbeitet, «seinen eigenen Garten schützen.» Dies sagte der Fachpsychologe für Rechtspsychologie und Psychotherapie beim Zürcher Amt für Justizvollzug dem «Tages-Anzeiger».
Endrass und dessen Arbeitskollege Thomas Noll zufolge sei es aber der Markt, der über das neue System richte. Mit dieser freien Wahl hätten manche Psychiater jedoch offenbar Mühe – weil sie vom aktuellen System profitierten. Dieses sei geprägt von einer «hierarchischen Vorstellung der Götter in Weiss».

«Angst vor Tarifdruck durch wachsende Konkurrenz»

Auch die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) widerspricht der Sichtweise von Chefarzt Seifritz. Das Anordnungsmodell bringe, anders als vom SVPC-Präsident behauptet, eine sehr viel bessere Versorgung zu wesentlich tieferen Kosten, schreiben die beiden Co-Präsidenten Yvik Adler und Stephan Wenger in der NZZ.
Wie Jérôme Endrass vermutet auch Philipp Thüler vom Psychologenverband FSP andere Motive hinter der Kritik von Seifritz. «Im heutigen Modell können Psychiater bequem mitverdienen, wenn sie Psychologen für sich arbeiten lassen», sagt er den Zeitungen von Tamedia. Herr Seifritz habe wohl Angst davor, dass der Tarif für Psychiater mit der wachsenden Konkurrenz unter Druck geraten könnte, so Thüler weiter. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Neuer Leitender Arzt für die Spitäler Schaffhausen

Der Radiologe Wolfgang K. E. Schill wechselt vom Kantonsspital Münsterlingen nach Schaffhausen.

image

Trotz Verbot praktiziert verurteilter Arzt weiter

Ein Schweizer Gericht hat gegen einen Arzt ein lebenslanges Berufsverbot verhängt, direkter Patientenkontakt ist ihm untersagt. Nun ist der Hausarzt wieder im Nachbarland aktiv.

image

Die Hausärzte im Kanton Bern rebellieren

Eine Gruppe von Ärztinnen und Ärzten aus dem Emmental und Oberaargau lehnt sich gegen den Ärztemangel auf.

image

Kantonsspital kauft Aktien einer Digital-Plattform

Was Medinside vor einer Woche angekündet hat, ist nun geschehen: Das erste öffentliche Spital steigt bei «Compassana» ein.

image

So will das Kantonsspital Graubünden Gewaltopfern helfen

Das Kantonsspital Graubünden in Chur betreibt neu die Sprechstunde «Forensic Nursing». Das Angebot ist das erste dieser Art in der Deutschschweiz.

image

Kanton unterstützt Arztpraxis mit knapp 1,5 Millionen Franken

Um die Attraktivität des Hausarztberufs zu verbessern, spricht der Kanton Aargau Geld für eine Hausarztpraxis im Spital Muri.

Vom gleichen Autor

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.

image

Warum hunderte Pflegekräfte derzeit «Rücktrittsschreiben» verfassen

Eigentlich möchten viele Pflegefachpersonen ihrem Beruf gar nicht den Rücken kehren. Doch das System zwingt sie dazu, wie eine aktuelle Kampagne in den USA exemplarisch zeigt.

image

Ärzte erhalten von Ärzten eine Sonderbehandlung

Ärzte als Patienten kriegen bestimmte Privilegien, die andere Patienten oder Patientinnen nicht erhalten würden. Dies sagt die grosse Mehrheit der in einer Studie befragten Ärzte.