«In den besten Jahren erzielte ich einen Umsatz von rund 140'000 Franken»

Der Berner Psychotherapeut Theo Rüetschi ist froh, musste er nicht über die Grundversicherung abrechnen. Er hatte auch so genug zu tun.

, 10. November 2017 um 11:00
image
  • psychotherapie
  • arbeitswelt
  • psychiatrie
Herr Rüetschi, Sie sind 73 Jahre alt und arbeiten immer noch. Sind Psychotherapeuten so schlecht bezahlt?Wer sich für die Psychotherapie entscheidet, der weiss, dass er damit nicht reich wird.
Sie haben die Frage nur halbwegs beantwortet.Ich bin immer noch motiviert, habe Freude an meinem Beruf und arbeite noch zu rund 50 Prozent. Mit der AHV und dem jetzigen Einkommen können ich und meine Frau so leben, wie wir es gewohnt sind. Ich muss daher nicht ans Eingemachte. Das beruhigt.
Sie haben noch eine 2. Säule?Ja, aber erst seit 15 Jahren. Wir liessen uns das Kapital auszahlen. Aber nochmals: Ich bin kein monetär getriebener Mensch.
Darf ich fragen: Wie viel verdienten Sie?In meinen finanziell besten Jahren, wo ich zu hundert Prozent arbeitete, erzielte ich einen Umsatz von rund 140'000 Franken, hatte aber relativ tiefe Fixkosten von zirka 16 Prozent. Gemäss einer Umfrage verdient ein angestellter Psychotherapeut um die 9500 Franken pro Monat, Selbstständige etwas weniger.
  • image

    Theo Rüetschi

    kam vor 73 Jahren zur Welt. 1960 machte er eine Verwaltungslehre, ehe er in Zürich am Institut für angewandte Psychologie sein erstes Rüstzeug für die heutige Tätigkeit holte. In Südfrankreich leitete er eine Arbeitsgruppe für schwer erziehbare Jugendliche. 1970 bis 1972 arbeitete Rüetschi im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst Solothurn. Danach wirkte der Berner in der neurologischen Abteilung am Unispital Basel und liess sich in Deutschland zum Psychotherapeuten ausbilden. Seit 1978 arbeitet Theo Rüetschi als selbstständiger Psychotherapeut in Bern.

Psychiater können ja über die Grundversicherung abrechnen, Psychotherapeuten nicht. Bedauern Sie das?Politisch ja. Ich mag es den jüngeren Kolleginnen und Kollegen gönnen, wenn sie dereinst über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) abrechnen können, falls sie das wollen. Ich selber bin froh, dass ich davon verschont blieb.
Das müssen Sie erklären.Die Abrechnung via OKP ist mit einem grossen administrativen Aufwand verbunden. Fragen Sie mal Ihren Hausarzt. Das muss ich nun wirklich nicht haben.
Es gibt doch Leute, die gehen allein deshalb zum Psychiater, weil die Grundversicherung die Kosten übernimmt. Viele davon gingen vielleicht lieber zum Psychotherapeuten.Das ist sicher so. Und viele gehen auch lieber zum Psychiater, weil dieser Medikamente verschreiben darf. Aber mich störte das nicht. Ich hatte immer genug zu tun. Es war für mich auch nicht immer einfach, Nein zu sagen, um mein Pensum zu reduzieren.
Wie finden heute Patienten zu Ihnen?Über Mund-zu-Mund-Werbung. Zudem bin ich noch als Lehrtherapeut tätig und mache Supervisionen.
In wessen Auftrag?Für das IGW, das Institut für Integrative Gestalttherapie Würzburg. Das vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) akkreditierte Institut bietet in der Schweiz Aus- und Weiterbildungslehrgänge im Bereich der Gestalttherapie an. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Psychiatrie: Josef Müller wird Chef der UPD

Zuvor wurde bereits ein neuer Verwaltungsrat der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern bestimmt.

image

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun soll's der Bundesrat richten

Der Nationalrat verlangt, dass der Bundesrat in die Kompetenz der Kantone und der Tarifpartner eingreift.

image

Diversity im OP: Ein Frauenanteil von 35 Prozent rettet Leben

Eine weitere Studie zeigt, dass gemischte Anästhesie- und Chirurgie Teams gut sind für die Qualität.

image

Aargauer Spitalärzte erhalten bezahlte Forschungszeit

Ein neues Forschungsangebot für Spitalärzte: Sie dürfen bis zwei Jahre forschen – neben dem Klinikalltag.

image

UPK erhält 1,4 Millionen für die LSD Forschung

Hilft LSD bei Alkoholabhängigkeit? In den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel wird dazu aktuell geforscht. Mit Unterstützung des Schweizer Nationalfonds.

image

Frauen und Männer: Das ist der Lohn-Unterschied im Gesundheitswesen…

…und andere Entwicklungen bei den Gehältern in der Branche.

Vom gleichen Autor

image

«Genau: Das Kostenwachstum ist kein Problem»

Für FMH-Präsidentin Yvonne Gilli ist klar: Es braucht Kostenbewusstsein im Gesundheitswesen. Aber es braucht keine Kostenbremse-Initiative.

image

«Kein Mensch will Rationierungen»

Für Santésuisse-Präsident Martin Landolt würde die Kostenbremse-Initiative nicht zu Qualitätsverlust führen. Solange die Bundespolitik ihre Hausaufgaben macht.

image

«Die Spitäler sind selber schuld»

Santésuisse-Präsident Martin Landolt über defizitäre Spitäler, den Tardoc-Streit, ambulante Pauschalen und unnatürliche Kooperationen.