Tuberkulose: Gefängnisse als Übertragungsherde

Bei der Übertragung der tödlichen Infektionskrankheit Tuberkulose spielen Gefängnisse eine Schlüsselrolle. Dies haben jetzt Basler Forschende in einer Studie nachgewiesen.

, 25. Mai 2021 um 12:00
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Begünstigt durch die globale Migration steigen seit 2007 auch in der Schweiz die Fälle der tödlichen Infektionskrankheit Tuberkulose. Als Übetragungsherde spielen Gefängnisse eine herausragende Rolle. Dies zeigt eine im Fachmagazin «Nature Medicine» veröffentlichte Studie von Forschern der Uni Basel und des Schweizerischen Tropen- und Public Health Instituts (Swiss TPH).
Die Wissenschaftler haben multiresistente Tuberkulose-Fälle in Georgien untersucht, wo die Stämme viel höher als in anderen Ländern sind. «Die Chance, im Gefängnis an einer multiresistenten Tuberkulose zu erkranken, ist 100-mal höher als für einen Menschen, der ausserhalb der Gefängnismauern lebt», sagt Infektionsbiologie-Professor Sébastien Gagneux laut einer Mitteilung.
Gygli SM., Loiseau C., Jugheli L., et al. «Prisons as ecological drivers of fitness-compensated multidrug-resistant Mycobacterium tuberculosis», in: «Nature Medicine». 24. Mai 2021

Resistent und virulent

Die georgischen Gefängnisse sien oft überbelegt, die Räume ungenügend gelüftet, die medizinische Versorgung mangelhaft. Das begünstige die Übertragung multiresistenter Tuberkulose. Gefängnisse fördern der Studie zufolge aber nicht nur die Übertragung multiresistenter Tuberkulose-Stämme. Die besondere Umgebung könne auch zu einer erhöhten Virulenz dieser multiresistenten Erreger führen.
Doch das Problem bleibe nicht auf Gefängnisse beschränkt, da die meisten Insassen irgendwann entlassen werden und den Erreger Mycobacterium tuberculosis weitertragen. Mindestens 30 Prozent aller Fälle von multiresistenter Tuberkulose in Georgien hängen mit einem früheren Gefängnisaufenthalt zusammen, wie es in der Studie heisst.

Wettlauf gegen die Zeit

Trotz dieser «beunruhigenden Entwicklungen» fliessen vergleichsweise wenige Gelder in die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen die Infektionskrankheit, sagt Gagneux. Zwar wurden in den letzten Jahren drei neue Antibiotika zur Behandlung von multiresistenter Tuberkulose zugelassen, doch sind bereits wieder Resistenzen gegen diese neue Medikamenten-Generation nachgewiesen. «Der Kampf gegen die multiresistente Tuberkulose ist ein konstanter Wettlauf gegen die Zeit», fügt Gagneux hinzu.

Folgen auch in der Schweiz spürbar

Pro Jahr sterben weltweit 1,4 Millionen Menschen an Tuberkulose. Die Krankheit fordert weltweit mehr Menschenleben als Malaria und HIV/Aids zusammen. 2016 wurde bei acht jungen Migrantinnen und Migranten eine multiresistente Tuberkulose diagnostiziert, die sich kaum behandeln lässt. Diese mussten sich gemäss Untersuchungen unabhängig voneinander im Flüchtlingscamp Bani Walid im Norden Libyens mit dem multiresistenten Keim angesteckt haben.
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