«Es mangelt in ganz Europa an Hausärzten»

Was bedeutet der Nationalratsentscheid zum Ärztestopp für die Hausärzte? Antworten von Marc Müller, dem Präsidenten des Berufsverbands.

, 19. Dezember 2015 um 17:00
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In den meisten Gegenden war der Zulassungsstopp für Ärzte ein Mittel, das sich gegen neue Spezialistenpraxen richtete. Insofern vermerken die Hausärzte den heutigen Nationalratsentscheid eher entspannt. «Wir hätten uns von Anfang an eine Steuerung gewünscht, mit der man auch gegen den Mangel vorgehen kann», sagt Marc Müller, der Präsident des Berufsverbands «Haus- und Kinderärzte Schweiz».
Wenn nun im Juni 2016 die Möglichkeit der kantonalen Beschränkungen gestrichen wird, dürften am ehesten noch die Allgemeinpraktiker in Grenzkantonen durch neue Konkurrenz betroffen sein. Egal ist der heutige Polit-Beschluss den Hausärzten denn auch nicht: Ähnlich wie die FMH und der Assistenz- und Oberärzteverband VSAO in ihrer Stellungnahme bedauert auch Marc Müller, dass der Nationalrat nun eine weitum akzeptierte Kompromisslösung kurzerhand entsorgte.
Und auch er weist darauf hin, dass die Abschaffung der «Ärztestopp»-Klausel letztlich Qualitätsfolgen haben dürfte: Denn der in der Zulassungsbremse enthaltene Zwang zu einer 3jährigen Weiterbildung nach Schweizer Regeln half, gewisse Standards zu sichern. Müller erinnert daran, dass die Weiterbildung zum Hausarzt nicht überall in Europa gleich intensiv sei – in einzelnen Ländern wie Griechenland gibt es sie gar nicht, in anderen beträgt die Weiterbildungsdauer nur zwei Jahre.

Bewilligung ja – aber nicht an der Bahnhofstrasse

Das Worst-Case-Szenario wäre jetzt also, dass die Krankenkassen dereinst schlecht qualifizierte, kostengünstige Hausärzte aus anderen europäischen Ländern «importieren». Doch, so Müller, diese Gefahr ist klein: «Es mangelt in ganz Europa an Hausärzten».
Zu prüfen wären – wie bereits in früheren Phasen gefordert – auf der anderen Seite wohl Lösungen, die auch gegen den Mangel an Hausärzten wirken. Zum Beispiel: Ausländische Ärzte können zwar eine Berufsausübungsbewilligung verlangen – doch nicht für die Bahnhofstrasse Zürich, sondern ausschliesslich für Gegenden mit Unterversorgung.
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