Long Covid: Unter diesen Folgen können junge Erwachsene leiden

Kürzlich hat die Uni Zürich neue Daten zu einer Long-Covid-Studie mit Rekruten publiziert. Medinside war im Gespräch mit dem Research Team.

, 11. Oktober 2022 um 13:50
image
Knapp 500 Rekrutinnen und Rekruten mit einem Durchschnittsalter von 21 Jahren nahmen an der Studie teil. | VBS
Wirkt sich Long-Covid ebenso auf zuvor gesunde junge Erwachsene aus? Diese Frage stellten sich Forschende der Universiät Zürich (UZH). Der Grund: Mittel- und langfristige Folgen von Sars-CoV-2-Infektionen bei rund Zwanzigjährigen waren kaum erforscht. Ein UZH-Team rund um Patricia Schlagenhauf, Professorin am Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, hat mögliche Auswirkungen von Long-Covid bei knapp 500 Rekrutinnen (29) und Rekruten (464) untersucht.
Medinside berichtete im September über die Studien-Ergebnisse, die im Fachmagazin «The Lancet Infectious Diseases» publziert wurden. Inzwischen konnte das Resesarch Team der Uni Zürich die offenen Fragen der Redaktion (teils inspiriert durch Medinside-Leser) beantworten, weshalb das Update nun erfolgt.
Zur Erinnerung:
  • Die Studie fand im Mai bis November 2021 statt.
  • Die Teilnehmenden waren im Durchschnitt 21 Jahre alt und ungeimpft.
  • Sie wurden in zwei Gruppen geteilt: Während 177 Personen mindestens sechs Monate vor Studienbeginn eine Covid-Infektion durchgemacht hatten (Covid-Gruppe), befanden sich 251 Personen ohne Covid-Infektion in einer Kontrollgruppe.
Weshalb wurden bei der Studie lediglich Ungeimpfte berücksichtigt?
Die mittels Bluttest postiv getesteten Personen waren zum Zeitpunkt der Infektion ungeimpft, «weil die Impfung damals für diese Altersgruppe noch nicht verfügbar war», erklärt Jeremy Deuel, Oberarzt der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie am USZ.
«Viele Probanden liessen sich nach der Zulassung des mRNA-Impfstoffs im Januar 2021 impfen. Wir Hatten deshalb geimpfte Personen in der Kontroll- wie auch in der Covid-Gruppe», erklärt Deuel. Dass die Impfung einen Einfluss auf den Verlauf von Long-Covid hat, schliesst Deuel aus.
Ist davon auszugehen, dass eine verminderte Fruchbarkeit irreversibel ist?
Neue Fakten konnten die Forschenden liefern, weil sie eine ganze Reihe von Organsystemen untersuchten. So zeigte sich zum Beispiel, dass leichte Infektionen mit dem Coronavirus bis zu 180 Tage lang neben den bekannten Folgen wie Müdigkeit, verminderter Geruchssinn oder höhere psychische Belastung bei Männern auch zu einer kurzfristig verminderten Fruchtbarkeit führen können.
Diese Spätfolgen nahmen bei Infektionen, die länger als ein halbes Jahr zurücklagen, signifikant ab. «Es ist deshalb nicht gegeben, dass Betroffe unfruchtbar bleiben und dass die Unfruchtbarkeit eine generelle Folge von Long-Covid ist.»
Gleich verhalte es sich mit der Müdigkeit und dem Verlust des Geschmacksinns. Ob der Schweregrad der Erkrankung die Spätfolgen beeinflusse, sei ihm, im Zusammenhang mit der Studienpopulation, nicht klar.
Können Spätfolgen wie erhöhter BMI, hoher Cholesterinwert und geringere körperliche Ausdauer auch bei geimpften Personen auftreten?
Eine neue Erkenntnis der Forscher ist weiter, dass eine Covid-Infektion Spätfolgen wie erhöhter BMI, hoher Cholesterinwert und eine geringere körperliche Ausdauer haben kann. Diese «potenziell riskante Konstellation» kann ein höheres Risiko für Stoffwechselstörungen und mögliche kardiovaskulären Komplikationen bergen.
«Ob die Impfung denn auch die Spätfolgen verändert, muss geklärt werden – das ist eine wichtige Frage. Wir haben auf jeden Fall weder Hinweise für diese Hypothese noch dagegen.»
Stoffwechselstörungen und Herzprobleme sind als Impfnebenwirkungen registriert. Wurde der Impfeeffekt während der Studie untersucht?
Herzprobleme und Stoffwechselstörungen sind im Gegensatz zur verminderten Fruchbarkeit als Nebenwirkungen bei Swissmedic registriert. Nachdem sich viele Probanden vor oder während der Studie zwischen Mai und November 2021 impfen liessen: Können diese Faktoren auch Nebenwirkungen der Impfung sein könnte und nicht die Langzeitfolgen der Infektionskrankheit.
Jeremy Deuel: «Diese Angaben sind zwar nicht im Paper enthalten: Wir untersuchten den Impfeffekt bei den Rekrutinnen und Rekruten und konnten keine Hinweise finden, dass die berichteten Effekte auf den Stoffwechsel durch die Impfung beeinflusst wurden – also auch keine Hinweise, dass dies Nebenwirkungen der Impfung sind.»
Gibt es eine vergleichbare Long-Covid-Studie bei jungen geimpften Erwachsenen?
Eine vergleichbare Studie mit geimpften jungen Erwachsenen gibt es laut Deuel nicht. «Die Frage, wie die Spätfolgen bei einer Covid-Infektion nach einer Impfung aussehen, ist deshalb schwierig zu beantworten. Wir haben keine Daten dazu erhoben. Es ist jedoch erwiesen, dass eine Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus nach der Impfung grundsätzlich milder verläuft und auch das Risiko für eine Erkrankung sinkt.»
Derzeit diskutiert wird, ob und wie eine Follow-Up-Studie durchgeführt wird.
Welche Fragen sind aus Ihrer Sicht noch spannend, Herr Deuel?
Spannend aus der Sicht von Jeremy Deuel sind offene Fragen wie zum Beispiel Covid-Langezeitfolgen bei der mehrmaligen Infektion (Re-Infektion), die Rolle verschiedener Varianten (Delta, Omikron etc.), wie lange die beobachteten Langzeitfolgen anhalten und ob sie reversibel/irreversibel sind.
Hier geht es zur Originalstudie.

Über die Studie

  1. Neuartig an der in Zusammenarbeit mit mehreren Kliniken des Universitätsspitals Zürich und Labor Spiez durchgeführten Studie ist, dass sie erstmals die Multiorganfunktion bei einer homogenen Gruppe mehrere Monate nach einer Covid-19-Infektion quantitativ bewertet hat.
  2. Diese Organsysteme wurden untersucht: kardiovaskuläre, pulmonale, neurologische, ophthalmologische, psychologische und allgemeine sowie die männliche Fruchtbarkeit.
  3. Durchgeführt wurde dies mit einer empfindlichen, minimalinvasiven Testbatterie.
  4. Ein wichtiger Aspekt der Studie ist auch die Kontrollgruppe, bei der mit Hilfe von Bluttests bestätigt wurde, dass die Teilnehmenden keine Exposition mit Sars-CoV-2 hatten.

  • forschung
  • long covid
  • zürich
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Hirntumor-Risiko für Kinder: Entwarnung

Schuld könnten die kleinen Fallzahlen sein: Dass Kinder im Berner Seeland und im Zürcher Weinland mehr Hirntumore haben, ist wohl das Zufalls-Ergebnis einer Studie.

image

Schweizer Hoffnung in der Krebsmedizin

Ein neues Medikament gegen das unheilbare Glioblastom schafft Hoffnung: bei manchen Patienten schrumpfte der Tumor um bis zu 90 Prozent.

image

Einseitige Impfung wirksamer? Studie wirft neues Licht auf Impfstrategien

Eine neue Studie kommt zu überraschenden Ergebnissen: Mehrfachimpfungen im selben Arm bieten einen besseren Schutz.

image

Epilepsie: Neue Folsäure-Empfehlung für Schwangere soll Krebsrisiko senken

Die Schweizerische Epilepsie-Liga empfiehlt, die tägliche Folsäure-Dosis von bisher vier bis fünf auf ein bis drei Milligramm zu reduzieren.

image

Brustkrebs-Screening im Alter birgt Risiko von Überdiagnosen

Eine Studie der Yale Medical School zeigt: Bei Frauen ab 70 Jahren, die eine Mammographien erhielten, wurden häufiger gesundheitlich unbedenkliche Tumore diagnostiziert als bei Frauen, die nicht an der Früherkennung teilnahmen.

image

Aargau will Med- und Health-Tech auf neues Niveau heben

Mit einem Projekt setzen das Kantonsspital Baden, die Stadt Baden und der Kanton Aargau neue Impulse für Innovationen in Medizin und Gesundheitstechnologie.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.