Jede vierte medizinische Studie in Frage gestellt

Fehlerhafte oder gar gefälschte medizinische Studien sind weit verbreitet. Mehr Transparenz und Kontrollen sind notwendig.

, 20. Juli 2023 um 14:02
letzte Aktualisierung: 8. November 2023 um 07:02
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Besonders anfällig: Arbeiten im Bereich Anästhesie — Symbolbild: Rylan K. Albright / Wikimedia Commons.
In der medizinischen Forschung tauchen offenbar alarmierend viele unzuverlässige Studien auf: Mindestens ein Viertel der Papers könnte gefälscht oder fehlerhaft sein. Das geht aus einem Bericht in der Fachzeitschrift «Nature» hervor.
Das Problem betreffe verschiedene Disziplinen und erfordere dringend mehr Transparenz und Kontrollen, um die Glaubwürdigkeit der Forschung zu gewährleisten.
Der Anästhesist John Carlisle ist bekannt dafür, problematische Daten in medizinischen Studien aufzuspüren. In einer Untersuchung von über 500 Studien mit randomisierten kontrollierten Versuchen stellte er etwa fest, dass 44 Prozent dieser Studien zumindest einige fehlerhafte Daten enthielten. Bei 26 Prozent der Studien waren die Probleme so gravierend, dass sie als nicht vertrauenswürdig eingestuft wurden, entweder weil die Autoren inkompetent waren oder weil sie die Daten gefälscht hatten.
  • Richard Van Noorden: «Medicine is plagued by untrustworthy clinical trials. How many studies are faked or flawed?», in: «Nature», Juli 2023.
Diese «Zombie-Studien», wie Carlisle sie nennt, sehen aus wie echte Forschung, erweisen sich aber bei näherer Betrachtung als fragwürdig und unzuverlässig. Das Problem betreffe nicht nur medizinische Eingriffe, sondern kann über Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten auch in klinische Leitlinien und die ärztliche Praxis einfliessen.
Die Frage sei, so der Bericht in «Nature» weiter, ob diese Ergebnisse auf die Anästhesiologie beschränkt seien oder ob das Problem auch in anderen Bereichen der Medizin verbreitet sei. Einige Wissenschaftler und Ärzte gehen davon aus, dass gefälschte oder unzuverlässige Studien weit verbreitet sind und dass ein Viertel der Studien eine Unterschätzung darstellen könnten.

Mehrere Lösungsansätze

Auf jeden Fall müsse das Problem ernst genommen werden, da die Auswirkungen weitreichend seien und falsche Schlussfolgerungen zu Schaden führen könnten. Die Lösung für dieses Problem ist nicht einfach: Der «Nature»-Bericht schlägt vor, dass Fachzeitschriften die Autoren routinemässig dazu auffordern sollten, ihre Rohdaten zu teilen, um die Überprüfung und Transparenz zu verbessern.
Ausserdem hätten die Verantwortlichen in medizinischen Fachmagazinen die Pflicht, schneller Entscheidungen zu treffen und bei Zweifeln, Unstimmigkeiten oder Unregelmässigkeiten Ausdrücke von Bedenken («expressions of concern») zu medizinischen Studien schneller zu veröffentlichen.
Wenn Studien zurückgezogen werden, sollten Autoren von systematischen Überprüfungen ferner verpflichtet werden, ihre Arbeiten zu korrigieren. Letztendlich müssten die Grundursachen für diese problematischen Studien behoben werden, indem die wissenschaftliche Überwachung, die Bewertung von Forschern und die Kontrollen von Institutionen und Fachzeitschriften verbessert werden.
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