Der Verein Pflegedurchbruch versucht es nochmals

Um ein Haar hätte sich der Verein Pflegedurchbruch aufgelöst – gescheitert am Ziel, dem Pflegepersonal schneller zu helfen.

, 19. April 2023 um 15:14
image
Die Gewerkschaftssekretärin und Zuger SP-Frau Tanja Wolleb ist die einzige, die im Vereinsvorstand geblieben ist. | zvg
Es ging ihnen zu wenig rasch vorwärts. Deshalb gründete ein Dutzend Pflegefachleute vor drei Jahren den Verein Pflegedurchbruch. Der Verein forderte das gleiche wie die Pflegeinitiative. Aber: «Wir wollen aber nicht noch Jahre lang auf die Umsetzung dieser Anliegen warten!», so der Verein.

Zu wenig organisierte Berufsleute

Gegründet hat ihn der Psychiatriepfleger Alain Müller aus Speicher AR. Er regte sich darüber auf, dass viele Pflegende gar nicht wissen, «dass es so etwas wie eine Gewerkschaft oder einen SBK gibt.» Das sei sehr bedenklich. «Ich habe in einem Jahr fast 5000 Leute in die Facebook-Gruppe geholt, in meiner Freizeit, ohne Personal, ohne finanzielle Mittel. Ich frage mich, was die Gewerkschaften unter Marketing verstehen und wohin ihre Ressourcen gehen.»

Aufpeitschen und mobilisieren

Müller fand, es sei der Job der Gewerkschaften und der Verbände, zu mobilisieren, aufzuklären und aufzupeitschen. «Nicht nur die Politik stagniert, auch die grossen Verbände bleiben stehen. Sie merken nicht, dass sie sich anders verhalten müssen. Und darum braucht es den Pflegedurchbruch.»

Kein schneller Durchbruch

Der Elan von damals ist verflogen. Der Verein ist auf dem Boden Realität gelandet: Genau wie die zuvor kritisierten Verbände und Gewerkschaften konnte auch Pflegedruchbruch nicht auf die Schnelle einen Durchbruch erzielen. Für die dritte Mitgliederversammlung, die kürzlich in Luzern stattfand, hatte beinahe der ganze Vorstand angekündet, dass er zurücktreten werde.

Auflösung im letzten Moment abgewendet

Doch dann kam es anders: «Ein Antrag, den Verein aufzulösen, wurde per Hand-Mehr abgelehnt und ein neuer Vorstand gewählt», schreibt der neue Präsident, Willy Honegger.
Was hält der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) vom Verein Pflegedurchbruch? Schliesslich stichelte dieser immer wieder gegen die angebliche Untätigkeit des Berufsverbands.

SBK nimmt es gelassen

SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi sieht es gelassen. Auf die Frage von Medinside, ob das ungestüme Vorpreschen des Vereins nicht eher hinderlich für die Arbeit des SBK sei, antwortete sie: «Solange es darum geht, sich für die Pflege einzusetzen, ist dies kein Problem.» Wichtig sei, dass alle an einem Strick in die gleiche Richtung ziehen. «Der Pflegedurchbruch hat die Verbände in der Pflege immer wieder aufgerufen, zusammenzuarbeiten und die Kräfte zu bündeln. Das ist genau im Sinne vom SBK.»
Sie lässt aber auch durchblicken, dass der kleine Verein dem Verband mit seinen 25'000 Mitgliedern nicht unbedingt erklären müsse, wie wichtig Koordination sei.

Weniger Kontakt

Zu Beginn hatte der SBK öfter Kontakt mit dem Verein. «In den letzten Monaten hatten wir auf nationaler Ebene etwas weniger Schnittstellen.» Über die Bedeutung des kleinen Vereins lässt sie sich nicht aus. Sie findet aber: «Es ist grundsätzlich wichtig, dass sich die Pflegenden organisieren, um für eine gute Versorgung und die eigenen Interessen einzustehen.»

Der neue Vorstand

Ausser der Gewerkschaftssekretärin und Zuger SP-Frau Tanja Wolleb, die weiterhin im Vorstand bleibt und als Kassierin amtet, wurden folgende Personen neu gewählt: Willy Honegger als Präsident, Sandra Schmied und Karin Schenkel.
  • politik
  • pflegeinitiative
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Kritik an Drehtür-Karrieren im Gesundheitswesen

Das NGO «Public Eye» rechnet vor, wie häufig Experten zwischen der Pharmaindustrie und den Aufsichtsbehörden Swissmedic und BAG wechseln.

image

Die Prognose: Krankenkassen-Prämien wachsen um vier Prozent

Der Online-Vergleichsdienst Comparis rechnet mit einem weiteren Anstieg der Prämien – wegen der steigenden Gesundheitskosten und des Drucks auf die Zusatzversicherungen.

image

«Keine taugliche Lösung»: Spitäler fürchten Milliardenkosten wegen Pflege-Initiative

Spitäler und Heime fordern, dass der Bundesrat die Finanzierung der Mehrkosten für die besseren Arbeitsbedingungen in der Pflege klar regelt.

image

Zweite Etappe für Umsetzung der Pflege-Initiative: Pflegepersonal findet sie ungenügend

Der Bundesrat will mit einem neuen Gesetz die Bedingungen für Pflegearbeit verbessern. Der Berufsverband ist enttäuscht.

image

Neuenburg will über 1'000 neue Pflegefachpersonen ausbilden

Bis 2032 sollen im Kanton Neuenburg 1’100 neue Pflegefachpersonen ihren Abschluss machen – 60 Prozent davon an Fachhochschulen.

image

Kickbacks im Gesundheitswesen: Bundesrat muss handeln

Der Nationalrat fordert Massnahmen gegen verdeckte Zuwendungen an Leistungserbringer. Auslöser war eine Enthüllung über ein Genfer Labor, das hohe Summen an Praxen zahlte.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.