Wie die BAB-Vorschriften die Versorgung erschweren

Ambulant statt stationär? Was politisch gewollt ist, wird amtlich verhindert – dazu ein neues Beispiel aus dem Aargau.

, 6. Oktober 2024 um 23:16
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Bitte warten: Eingang zur Tagesklinik Lenzburg der Klinik im Hasel.
Die bürokratischen Hürden für das Gesundheitswesen werden zwar jahraus, jahrein lamentiert – aber sie wuchern weiter. Ein speziell weites Feld stellen hier die seit 2022 gültigen Vorschriften des Bundes zur Berufsausübungsbewilligung sowie zur OKP-Zulassung dar. Soeben wurde bekannt, dass sich Physiotherapie-Organisationen gezwungen sehen, notfalls gegen den Wildwuchs im BAB-Bereich zu klagen. Preisüberwacher Stefan Meierhans wiederum prangerte die sichtbar willkürlichen Gebühren an.
Einen weiteren Muster-Problemfall schildert nun die «Aargauer Zeitung». Der Knackpunkt hier: Es braucht eine eigene Betriebsbewilligung für Praxen oder Kliniken, die nicht auf dem Spitalgelände stehen. Und bei ambulanten Aussenstandorten müssen sämtliche dort tätigen Angestellten über eine BAB verfügen, sofern sie in eigener fachlicher Verantwortung tätig sind.
So interpretiert das zuständige Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau die neu geschaffene Lage. Die AZ schildert nun das Beispiel der Klinik im Hasel. Die Institution, spezialisiert auf Traumafolgestörungen und Abhängigkeitserkrankungen, befindet sich in Gontenschwil. Aber sie führt auch Ambulatorien in Lenzburg und Baden. Für diese Betriebe benötigt sie nun eine «Assistentenbewilligung» für Assistenzärzte.

25 Jahre Erfahrung, so what?

Wie Thomas Lüddeckens, CEO und Chefarzt der Klinik im Hasel, in der Zeitung ausführt, haben drei der Mediziner in den Ambulatorien zwar einen Studienabschluss, seien fortgeschritten in der Facharztausbildung, hätten Fort- und Zusatzausbildungen und bis zu 25 Jahren Berufserfahrung im Schweizer Gesundheitswesen – aber ihr Abschluss stammt aus einem Nicht-EU-Land.
Und so dürfen sie zwar in der Zentrale unter fachärztlicher Aufsicht arbeiten – haben aber keine Bewilligung mehr den ambulanten Bereich. Gontenschwil ja, Baden und Lenzburg nein.
Die Folge: Aufnahmestopp, abgewiesene Patienten. «Im laufenden Jahr mussten wir wegen fehlender ärztlicher Kapazitäten im ambulanten Bereich etwa 70 Patientinnen und Patienten abweisen», so Lüddeckens zur AZ. Die Anzahl der behandelten Personen in der Opioid-Agonisten-Therapie in seiner Klinik liegt heute 63; letztes Jahr waren es noch 93 gewesen.
Die kantonalen Behörden sind dabei auf dem Standpunkt, dass sich die bisherige Duldung nicht fortsetzen lässt: Daraus könne «nicht ein Rechtsanspruch abgeleitet werden, da ansonsten der Kanton willentlich das Legalitätsprinzip verletzt.»
Andere Kliniken wollten offenbar nicht zitiert werden zum Thema. Lediglich ein Sprecher der Psychiatrischen Dienste Aargau erklärte auf Anfrage der AZ, man sei wegen diese Regelung ebenfalls mit einem hohen administrativen Aufwand konfrontiert: «Eine Herausforderung liegt sicherlich bei den Neurekrutierungen, da neu zusätzliche Bedingungen zu erfüllen sind (u.a. dreijährige anerkannte Tätigkeit in der Schweiz bei Ärzten ohne FMH-Facharzttitel oder ein Nachweis der Sprachkenntnisse). Die Besetzung offener Stellen mit ausländischen Fachpersonen wird dadurch sehr erschwert.»

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