Werden die freiheitsbeschränkenden Massnahmen in der Psychiatrie allmählich durch andere Ansätze ersetzt? Das könnte man aus einem neuen
Bericht der Qualitätsorganisation ANQ folgern – zumindest in Bezug auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Der Organisation veröffentlichte die Ergebnisse einer Umfrage, die 2024 in allen psychiatrischen Kliniken der Schweiz durchgeführt wurde, sowohl in der Erwachsenen- als auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dabei wurden fast 90'000 Fälle in der Erwachsenenpsychiatrie und fast 6'000 Fälle in der Kinder- und Jugendpsychiatrie analysiert.
Von insgesamt 32 Kliniken im ganzen Land legten 17 auswertbare Daten zu freiheitsbeschränkenden Massnahmen vor, d. h. zu Zwangsmedikation, Fixierung oder auch Isolation.
Ergebnisse
Gemäss ANQ ist der Anteil der Fälle, die mindestens eine dieser Interventionen benötigten, im Vergleich zu 2023 gesunken. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie setzt sich ein Abwärtstrend fort, der schon in den letzten Jahren erfasst worden war.
«Die im Jahr 2024 beobachtete Reduktion der freiheitsbeschränkenden Massnahmen ist erfreulich und wegweisend», sagt Alexandre Wullschleger, Psychiater am Universitätsspital Genf (HUG) und Mitglied der Qualitätsgruppe Psychiatrie des ANQ, in einer Mitteilung des Vereins. «Auch wenn diese Massnahmen in Notsituationen unvermeidbar sein können, müssen sie unbedingt auf das absolute Minimum beschränkt werden.»
Im Jahr 2024 wurden bei 94,6 Prozent der jungen Patienten, die stationär behandelt wurden, keine freiheitseinschränkenden Massnahmen ergriffen.
Erwachsenenpsychiatrie
In der Erwachsenenpsychiatrie scheint sich die Dynamik jedoch umzukehren: Trotz eines leichten Rückgangs im Jahr 2024 ist der Einsatz von einschränkenden Massnahmen seit 2019 um durchschnittlich 1,3 Prozent pro Jahr gestiegen – derweil er bei Kindern und Jugendlichen um 11,8 Prozent pro Jahr zurückgegangen ist.
Allerdings weist der ANQ auf einige methodische Grenzen seiner Erhebung hin. Seit 2022 müssen Isolierungen aus psychiatrischen Gründen und solche aus somatischen oder infektiologischen Gründen getrennt kodiert werden. Mehrere Kliniken haben diese Unterscheidung jedoch noch nicht vollständig umgesetzt, was die Zahlen teilweise verzerren könnte.