Was tun gegen die Personalnot? Mehr Macht für die Pflege.

In Frankreich werden die Kompetenzen der Pflegefachleute bald drastisch erweitert. Die Nationalversammlung hat ein entsprechendes Gesetz durchgewunken – einstimmig.

, 17. März 2025 um 03:00
image
Infirmière in Lille: Screenshot Screenshot aus einem Dokumentarfilm von «France 3».
Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung haben in erster Lesung einstimmig ein Gesetzesprojekt zur Modernisierung der Krankenpflege-Berufe angenommen.
«Anerkennung der Aufgaben von Pflegerinnen und und Pflegern und Entwicklung ihrer Kompetenzen», so der Titel des Pakets. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe hatten seit Jahren darauf gedrängt, nun wurde der Text im beschleunigten Verfahren durchgewunken. Als nächstes muss die kleine Kammer, der Senat, entscheiden.
Ein Hauptgrund für diese Dringlichkeit lag im Personalmangel, der vor allem in ländlichen Gebieten zu einem grossen Problem wurde. Es geht also stark darum, den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu verbessern, indem Pflegefachleute weitere Aufgaben übernehmen können.
Und für Frankreichs Gesundheitsminister Yannick Neuder geht es auch darum, «den Beruf in eine neue Modernität zu katapultieren».

Krankenpflegeberatung und -diagnose

Die Neuerung sieht erstens eine Führungsrolle der Pflege bei «conciliation médicamenteuse» – also bei der Harmonisierung des Patientenwegs und der Medikaktion.
Ein weiterer Schritt ist die Anerkennung der Rolle in der «Beziehungspflege» als Pflegeaufgabe, also die psychologische und therapeutische Unterstützung von Patienten.
Weitere Erweiterungen betreffen Aufgaben und Begriffe wie «Pflegeberatung» und «Pflegediagnose», die bislang den ärztlichen Berufen vorbehalten waren.
Die konkrete Liste der damit verbundenen Aufgaben wird dann in einer weiteren Stufe per Verordnung festgelegt; sie soll danach alle drei Jahre aktualisiert werden.
«Pflegefachleute führen bereits heute persönliche Gespräche, man darf es einfach nicht Beratung nennen», erinnerte Thierry Amouroux, Sprecher der Pflege-Gewerkschaft SNPI. Und weiter: «Sie können Impfungen, Nikotinersatzpräparate und medizinische Mittel wie Verbände verschreiben. Aber nicht Paracetamol, obwohl es frei verkäuflich ist. Dieser Gesetzestext gibt uns einen rechtlichen Rahmen und korrigiert einige sinnlose Praktiken, die zu einem Verlust von Chancen für die Patienten führen».
Daniel Guillerm, Président de la Fédération Nationale des Infirmiers (FNI), au micro de la «RTL»
Einige Abgeordnete und Akteure des Sektors warnen jedoch vor einer möglichen Verwischung der Grenzen zwischen pflegerischen und ärztlichen Kompetenzen. Sie erinnern daran, dass die Diagnose in den Zuständigkeitsbereich der Ärzte fällt und diese Unterscheidung für die Patientensicherheit von entscheidender Bedeutung ist.

Bessere Bezahlung?

Ein Thema bleibt in der politischen Diskussionen dabei weitgehend ausgeklammert: die Aufwertung der Ausbildung und der Entlöhnung. «Man redete nicht über die Bezahlung, über die Beiträge zur Rente oder die Arbeitsbedingungen», meinte der grüne Abgeordnete Hendrik Davi: «Mehr arbeiten, ohne mehr zu verdienen – das ist nicht unbedingt das, was die Pflege will.» Eine Erweiterung der Kompetenzen müsse mit Gehaltsaufbesserungen einhergehen.
In Frankreich erhält das Pflegepersonal laut OECD-Zahlen weniger als den Durchschnittslohn des Landes. In der EU ist das Verhältnis insgesamt umgekehrt: Im Jahr 2022 erhielten Pflegefachleute in den Spitälern im europäischen Durchschnitt 20 Prozent mehr als der Arbeitnehmer-Medianlohn im jeweiligen Land (in der Schweiz ist die Pflege-Entlöhnung allerdings auch unterdurchschnittlich).
Bereinigt um die Lebenshaltungskosten lag das Durchschnittsgehalt von Krankenpflegepersonal in Frankreich unter jenem in Spanien oder Polen.

Relative Vergütung von Spital-Pflegepersonal (2022):

image
Wuelle: OECD/European Commission, «Health at a Glance: Europe 2024».

  • pflege
  • fachkräftemangel
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Pflege: Sparen beschäftigt mehr als Rekrutieren

Die Hauptsorge der Pflegeleitungen in der Schweiz ist nicht mehr der Personalmangel. Das «CNO-Barometer 2025» deutet an, dass die Chief Nurse Officers den Blick neu ausrichten.

image

Ein Blutstropfen Hoffnung bei Alzheimer

Neue Bluttests könnten die Alzheimer-Diagnostik revolutionieren – früher, einfacher, präziser. Sie eröffnen Chancen, das Gesundheitssystem zu entlasten und geben Patient:innen und Ärzt:innen neue Hoffnung.

image

BFS: Zahl privater Spitex-Anbieter erreicht Rekordwert

Die Zahl privater Spitex-Anbieter erreichte 2024 einen neuen Höchststand: 844 gewinnorientierte Unternehmen leisten immer mehr Pflegestunden, während gemeinnützige Organisationen Marktanteile verlieren.

image

Pflegeinitiative: Politik bremst bei der Umsetzung – erst Kosten, dann Gesetz

Die Beratungen über das neue Pflegegesetz gehen in eine neue Runde: Die zuständige Nationalrats-Kommission will genauer wissen, was das kostet. — «Unfassbar!», kommentiert dies der Personalverband SBK.

image

Krankenkassen fordern Vorgaben für psychiatrische Angehörigenpflege

Mit Qualitätsverträgen wollen die Krankenversicherungen die Grenze zwischen psychiatrischer Grundpflege und Alltags-Betreuung bestimmen.

image

Pflegeinitiative: SBK gegen Medienberichte

Zwei Milliarden jährlich für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege? Nach Meldungen über Milliardenkosten wegen der Pflege-Initiative warnt der Personalverband SBK vor einer verzerrten Debatte.

Vom gleichen Autor

image

Neuenburg: Muss das Spital in La Chaux-de-Fonds jetzt doch schliessen?

Vor einigen Jahren beschlossen die Bürger, dass der Kanton Neuchâtel zwei Spitäler betreiben soll – nicht nur eines. Jetzt beginnt die Debatte erneut.

image

Westschweizer Apotheker werden zu häuslicher Gewalt bei Senioren geschult

Freiburg gehört nun auch zu den Westschweizer Kantonen, die ein Ausbildungsmodul für Apothekenpersonal anbieten, um ältere Opfer von häuslicher Gewalt besser betreuen zu können.

image

Waadt: Gesundheitsdirektorin Rebecca Ruiz tritt zurück

Die Vorsteherin des Gesundheits- und Sozialdepartements des Kantons Waadt hört nächstes Frühjahr auf – aus gesundheitlichen Gründen und mangels Rückhalt in der Partei.