Seit Januar haben mehrere Zusatzversicherungen die automatische Kostenübernahme für privatärztliche Behandlungen eingestellt. Besonders angespannt ist die Lage im Kanton Genf. Krankenkassen und Ärzte konnten sich nicht über die Tarife einigen – mit tiefgreifenden Konsequenzen: Operationen wurde verschoben oder deren Kosten nicht zurückerstattet, Patienten wurden an andere Spitäler – oder gar an andere Kantone – verwiesen. Obendrein stieg der Druck auf die öffentlichen Spitäler.
In dieser Situation versuchte der Kanton Genf zu vermitteln. Bei einem Einigungsgespräch mit den Parteien stellte das Gesundheitsdepartement ein Ultimatum: Bis zum 15. April müsse eine Übergangslösung gefunden werden. Staatsrat Pierre Maudet unterstützt das von der Genfer Ärztegesellschaft (AMGe) vertretene Modell.
Bis zum 15. April gab es jedoch keine entscheidenden Fortschritte. Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) lehnte es ab, das von der AMGe vorgeschlagene Modell auch nur vorübergehend zu übernehmen: Das Modell entspreche nicht den Anforderungen der Aufsichtsbehörde Finma. Die Versicherer wollen eine rechtlich sichere und transparente Lösung.
Die beiden grössten Zusatzversicherer, CSS und Helsana, lehnen das Genfer Modell offenbar ab. Im Gegensatz dazu haben Assura, Groupe Mutuel und Swica das Tarifmodell der AMGe akzeptiert und damit die Kostenübernahme für die Gesundheitsversorgung von rund 40 Prozent der Genfer Versicherten sichergestellt.
Die SVV verteidigt ihre Position
Matthias Schenker, Leiter des Bereichs Krankenversicherungen beim SVV, sagte im
Interview mit dem Radio und Fernsehen RTS: «Genf ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Es ist der einzige Kanton, in dem es klemmt.»
Auf den Einwand, dass es nicht Aufgabe der Finma sei, Tarifmodelle zu genehmigen, antwortete Schenker: «Wir verlangen von der Finma, bis Ende des Jahres eine Ausnahme zu machen und keine Sanktionen zu verhängen, wenn Versicherer Rechnungen erstatten, die auf dieser Tarifstruktur beruhen.»
Er setzt auf die Fortsetzung der Gespräche, die seiner Meinung nach in den kommenden Monaten zu einem Ergebnis führen könnten. Bis dahin, so Schenker, bleibe die Kostenerstattung für diese Behandlungen schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
Was die Kritik an den Gewinnen aus der Zusatzversicherungen betrifft, erinnerte der Versicherungsvertreter daran, dass deren Gewinne auf 10 Prozent gedeckelt seien. Man habe hohe Verwaltungskosten in diesem Bereich.
Interview mit Matthias Schenker in der Sendung «Forum» von RTS, 15. April 2025
Der Kanton: ein «halber Misserfolg»
In einem Interview mit
«Léman Bleu» bezeichnete Pierre Maudet das Ergebnis als «halben Misserfolg» – eine Situation, die er mit einer Metapher illustrierte: «Man hat sich auf eine Partitur geeinigt, aber man braucht noch Musiker, um sie zu spielen.»
Maudet bedauert, dass es ihm noch nicht gelungen sei, die Genfer Versicherten aus dieser monatelangen «Geiselnahme» herauszuholen. Er stellt jedoch einen Fortschritt fest: Die Versicherer anerkennen nun, dass das von den Genfer Ärzten vorgeschlagene Modell als Übergangslösung dienen könnte. «Allerdings müssen die beiden grössten Versicherer endlich einwilligen, die Rückerstattungen zu machen», betont er. Was das Verhältnis der Versicherer zur Finma betrifft, erinnert Maudet daran, dass «die Versicherer heute versteinert und verkrampft sind und nicht das Risiko eingehen, sich an einem noch nicht validierten Modell zu beteiligen, das zumindest den Vorzug hat, zu existieren».
Wie lange kann diese Situation noch andauern? Maudet: «Wenn die Versicherungen nicht bald die ihnen angebotene Partitur spielen, müssen die Versicherten mit den Füssen abstimmen.»