«Binnen weniger Tage starb Elia an einem septischen Schock»

Laut dem neuen Sepsis-Bericht sterben in der Schweiz jährlich rund 4’000 Menschen an Sepsis. Die Geschichte des 14-jährigen Elia zeigt, wie schnell eine Infektion lebensbedrohlich werden kann.

, 11. September 2025 um 09:05
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Elia galt als ein grosses Kart-Talent. Bild: zvg
In der Schweiz werden jährlich über 20’000 Patientinnen und Patienten mit einer Sepsis in Akutspitälern behandelt. Knapp 20 Prozent sterben daran – das sind rund 4’000 Menschen pro Jahr, wie der neue Bericht des Swiss Sepsis Program (SSP) zeigt.
Besonders gefährdet sind Säuglinge und ältere Menschen, doch alle Altersgruppen können betroffen sein. Fachleute gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl noch höher liegt, da nicht alle Fälle erkannt oder korrekt codiert werden.
Dabei ist Sepsis nicht nur ein medizinischer Notfall, sondern auch eine finanzielle Belastung: Rund 40 Prozent der Betroffenen werden auf Intensivstationen behandelt. Die durchschnittlichen Kosten pro Fall liegen bei etwa 50’000 Franken, was bei 20’000 Fällen jährlich direkt über 1 Milliarde Franken ausmacht.
Inklusive Rehabilitation und Nachsorge könnten die Gesamtkosten auf 2 Milliarden Franken pro Jahr steigen – ohne die indirekten Kosten durch Spätfolgen oder Arbeitsausfälle.

Gefahr wird unterschätzt

«Die Gefahr durch Sepsis wird weiterhin unterschätzt», warnt Nora Lüthi, Erstautorin des Berichts. Luregn Schlapbach, Intensivmediziner am Universitäts-Kinderspital Zürich, ergänzt: «Erkennung, Behandlung und Nachsorge müssen im Gesundheitssystem dringend höher priorisiert werden.» Schlapbach betont zudem, dass in der Schweiz eine nationale Koordination der Sepsis-Forschung fehlt, die Ergebnisse schneller in die Behandlung einfließen lassen könnte.

Swiss Sepsis Program

Das Swiss Sepsis Program, das bis Ende 2028 läuft, will diese Lücken schliessen. Geplant sind unter anderem eine Öffentlichkeitskampagne, die Definition klinischer Standards, Bildungsmodule, ein Sepsis-Register sowie der Aufbau einer Betroffenen-Gruppe. Träger des Programms sind die Universitätsspitäler CHUV Lausanne, Insel Bern und das Kinderspital Zürich. Die Finanzierung erfolgt durch die Eidgenössische Qualitätskommission (EQK).
  • Sepsis ist eine lebensbedrohliche, ausser Kontrolle geratene Reaktion des Körpers auf eine Infektion, die zu Organversagen, Schock und Tod führen kann – ein medizinischer Notfall vergleichbar mit Herzinfarkt oder Schlaganfall.
  • Sepsis kann alle Altersgruppen betreffen: Über zwei Drittel der Fälle treten bei älteren Menschen auf, bei Kindern sind es rund 600 Fälle pro Jahr, überwiegend Neugeborene und Kleinkinder unter fünf Jahren.
Zum Welt-Sepsis-Tag 2025 am 13. September veröffentlichten Fachpersonen und Betroffene zudem eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich verpflichten, Massnahmen gegen Sepsis zu ergreifen und zu unterstützen.

Schweizer Sepsis Report

«Niemand ist sicher vor einer Sepsis» – Der tragische Tod des 14-jährigen Elia Epifanio

An der heutigen Medienkonferenz des Kinderspitals Zürich, erzählte Jennifer Epifanio die Geschichte ihres Sohnes Elia. Der 14-Jährige, sportlich, voller Energie und Träume, starb Ende März 2023 binnen weniger Tage an einem septischen Schock. «Niemand ist vor einer Sepsis sicher», betont sie, während sie von den letzten Stunden ihres Sohnes berichtet.
Am 21. März feierte Elia seinen Geburtstag, drei Tage später trainierte er für die bevorstehende Schweizer Kart-Meisterschaft. Auf der Heimfahrt wirkte er müde und klagte über Halsschmerzen. Dennoch wollte er am nächsten Morgen die neue Kart-Bahn in Wohlen besichtigen. «Er war völlig begeistert, ging die Strecke im Regen ab, während ich im Auto wartete», erinnert sich Jennifer.
Doch in der Nacht verschlechterte sich sein Zustand rapide. Mit 39 Grad Fieber und starken Schmerzen bat er verzweifelt: «Mami, ich habe solche Schmerzen, ich will zum Arzt. Ich halte es nicht mehr aus!» Nachdem der Kinderarzt und Hausarzt keine zeitnahen Termine anbieten konnten, wurde Elia in die Notfallaufnahme gebracht – und nach vier Stunden mit der Diagnose Influenza B wieder nach Hause entlassen.
Nur Stunden später verschlechterte sich sein Zustand erneut. Blutspucken, Atemnot, Panik – und seine letzten Worte: «Ja, Papi, ich habe Angst.» Kurz darauf verlor er das Bewusstsein. Im Universitäts-Kinderspital Zürich wurde er sofort reanimiert, an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und ins künstliche Koma versetzt.

Septischer Schock

Die Diagnose: septischer Schock, ausgelöst durch eine Grippeinfektion mit sekundärer bakterieller Lungenentzündung. Die Ärzte stellten klar, dass seine Überlebenschancen minimal waren. Am 31. März 2023 wurden die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt. «Unser geliebter Sohn und grosser Bruder flog für immer in den Himmel», sagt Jennifer Epifanio.
Um an Elia zu erinnern und andere zu sensibilisieren, gründete die Familie das «Trofeo Elia Epifanio» auf der Kartbahn in Wohlen. Anfang 2025 fand bereits das zweite Rennen statt, begleitet von einer Videoreportage auf RTL2, um auf die Gefahr von Sepsis aufmerksam zu machen.


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