Die Arbeitszeit von Spitalärztinnen und -ärzten ist ein Dauerthema: Einerseits scheint sich auf allen Hierarchiestufen langsam die Einsicht durchzusetzen, dass die Ära von Dauerbelastung und Arbeitszeit-Marathons vorbei ist. Andererseits bewegt sich nicht allzu viel. Und zahlreiche Ärzte leisten regelmässig Arbeitswochen jenseits der gesetzlichen Norm. Warum die Diskrepanz?
Solchen Fragen ging eine Erhebung nach, die jüngst im «Swiss Medical Weekly» veröffentlicht wurde. Dabei befragte ein Team der Fachhochschule Nordwestschweiz 553 Ärzte aus sieben öffentlichen Spitälern; zudem führte es qualitative Gespräche mit 19 Ärztinnen und Ärzten.
Laut der Erhebung möchten gut 60 Prozent der Ärzte weniger arbeiten. Gut 60 Prozent der Befragten glauben auch, dass das für sie möglich wäre. Doch es geschieht nicht unbedingt.
Konkret arbeitet eine Mehrheit der Befragten mit Pensen zwischen 90 und 100 Prozent. Zugleich wünschten sich knapp zwei Drittel (61,5 Prozent) eine Reduktion auf 60 bis 90 Prozent. Der ideale Durchschnitts-Beschäftigungsgrad liegt bei 81 Prozent – also einen Tag unter dem Vollzeitpensum, aber deutlich über «echten» Teilzeitmodellen von 50 oder 60 Prozent.
Entgegen dem Klischee waren es nicht die jungen Befragten, die am meisten reduzieren wollten: Bei den Assistenzärztinnen und -ärzten unter 30 lag das Ideal-Pensum bei durchschnittlich 88 Prozent. Die mittlere Generation (41 bis 50 Jahre) wünschte sich dagegen die kleinsten Pensen (76 Prozent); bei den Medizinern ab 51 lag der Wunsch-Wert dann wieder bei 82,5 Prozent.
Die Macht der alten Bilder
Dies ist natürlich auch nachvollziehbar: In der Weiterbildungsphase gilt es, Rotationen und Fallzahlen zu absolvieren – Teilzeit gilt da oft als Hemmschuh. Und zwischen 40 und 50 hat man dann oft Kinder in einem Alter, das allerhand Betreuung verlangt.
Einerseits, andererseits: Dass recht wenige eine Reduktion des Pensums verlangen, obwohl sie denken, dass dies in ihrem Spital möglich wäre, dürfte an der Sorge um die Karriere liegen. Denn knapp 60 Prozent gaben auch an, dass Teilzeit die Aufstiegschancen verschlechtere.
Die qualitativen Interviews bestätigen dieses Bild: Mehrfach deuteten die Gesprächspartnerinnen und -partner an, dass das Bild des idealistischen Arztes, der uneingeschränkt verfügbar ist, noch eine starke Macht hat.
«Ich habe noch nie ein positives Beispiel gesehen, dass jemand mit Kindern Teilzeit gearbeitet und trotzdem eine Spezialisierung geschafft hat», so ein Zitat aus der Studie. «Was ich aber gesehen habe, sind Menschen in Führungspositionen, die Vollzeit arbeiten und dafür grosse persönliche Opfer gebracht haben.»
Die Macht der Organisation
Hinzu kommt offenbar die Befürchtung, dass tiefere Pensen am Ende die Belastung der Kolleginnen und Kollegen erhöhen könnte; diese Sorge äusserten fast drei Viertel.
Und genannt wurde auch die Einwand, dass Teilzeitarbeit am Ende die medizinische Qualität verschlechtere. Eine klare Mehrheit (82,5 Prozent) teilt diese Furcht allerdings nicht; sie taucht vor allem bei höheren Positionen auf – sowie in gewissen Fachbereichen, insbesondere unter Kardiologen und Chirurgen.
Solange Verfügbarkeit als Kriterium für ärztliche Kompetenz gilt, bleibt Teilzeit ein Karriererisiko.
Die Gespräche von Barbara Jarmila Germann et al. machen auch spürbar, dass auch der Wandel zu weniger Arbeitszeit respektive mehr Teilzeit durch organisatorische Mauern erschwert wird: Schichtpläne, Beurteilungen oder Weiterbildungen sind einfach vielfach noch immer auf Vollzeit ausgerichtet. Wer reduziert, muss mit unpassenden Arbeitsmodellen kämpfen.
Und so kommen die Autorinnen zum Schluss, dass sich kleinere Pensen bloss durchsetzen, wenn den Spitälern ein tiefgreifender Kulturwandel gelingt. Solange Verfügbarkeit als Kriterium für ärztliche Kompetenz gilt, bleibt Teilzeit ein Karriererisiko.
Zudem müssten Strukturen – etwa via Dienst- und Weiterbildungs-Pläne – so angepasst werden, dass auch 80- oder 60-Prozent-Pensen realistisch sind. Dabei müssten die Lösungen wohl auch spezifisch auf Kliniken, Fachrichtungen und Positionen zugeschnitten sein – ein «One size fits all» sei kaum praktikabel.